Der Erwerb von Wohnimmobilien erfolgt aus den unterschiedlichsten Gründen. Während eine Immobilie für viele lediglich eine Vermögensanlage darstellt, möchten andere wiederum sich Immobilieneigentum zulegen, um die Immobilie selbst als Wohnung zu nutzen. Steht der Verkauf einer vermieteten Wohnung bevor, werden die meisten Mieter nicht ganz zu Unrecht oft unruhig, da sie befürchten, der neue Eigentümer und neue Vermieter könnte eine Eigenbedarfskündigung mit dem Ziel aussprechen, die Wohnung selbst zu beziehen oder Angehörigen zu überlassen. Vor allem der künftige Eigentümer sollte selbstverständlich vor dem Abschluss des Kaufvertrages gewissenhaft prüfen, ob sich seine Pläne, die Wohnung künftig selbst zu nutzen, realisieren lassen. Aber auch Mietern kann eine oft zermürbende Zeit der Ungewissheit erspart werden, wenn sie in der Lage sind, selbst zu prüfen, ob der künftige Vermieter überhaupt ein Recht hat, eine Eigenbedarfskündigung auszusprechen. Spätestens dann, wenn das Kündigungsschreiben auf dem Tisch liegt, sollte jeder Mieter die Kündigung sorgsam auf ihre Wirksamkeit überprüfen und sich nicht voreilig damit abfinden, dass er die Wohnung räumen muss. Nicht selten stehen einer Eigenbedarfskündigung eines Wohnungserwerbers nämlich Ausschlussgründe entgegen und auch nicht jeder Wunsch, die Wohnung selbst zu beziehen oder einem Angehörigen zu überlassen, berechtigt den Erwerber zu einer Kündigung wegen Eigenbedarfs.
Der folgende Beitrag soll nicht nur (künftige) Eigentümer, sondern auch Mieter in die Lage versetzen zu prüfen, ob nach dem Eigentumsübergang eine Eigenbedarfskündigung möglich ist.
Inhalt: Vermieterwechsel: Wann kann der neue Eigentümer wegen Eigenbedarf kündigen?
I. Kündigungssperrfrist gem. § 577a BGB bei Erwerb nach Begründung von Wohnungseigentum
II. Kündigungsverzicht im Mietvertrag
I. Kündigungssperrfrist gem. § 577a BGB bei Erwerb nach Begründung von Wohnungseigentum
Bei der sog. Kündigungssperrfrist, die vielen Mietern, aber auch Vermietern unbekannt ist, liegen Fluch und Segen nah beieinander. Während sie Mieter zeitweise vor dem Verlust ihrer Wohnung bewahrt, schränkt sie das Eigentumsrecht von Wohnimmobilieneigentümern erheblich ein. Die Sperrfrist, die in § 577a BGB verankert ist, betrifft manche Vermieter, die eine bereits vermietete Wohnung erworben haben und dadurch gemäß § 566 Abs.1 BGB in die Vermieterstellung eingetreten sind. Handelt es sich bei der erworbenen Wohnung um eine Wohnung, an der Wohnungseigentum begründet worden ist, versagt § 577a Abs.1 BGB dem neuen Vermieter nämlich in bestimmten Fällen für die Dauer von mindestens drei Jahren seit der Veräußerung das Recht, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Voraussetzung dafür, dass die Sperrfrist greift, ist es allerdings, dass das Wohnungseigentum an der erworbenen Wohnung nach der Überlassung der Wohnung an den Mieter, aber vor der Veräußerung der Wohnung an den neuen Eigentümer begründet worden ist.
Die Sperrfrist steht der Eigenbedarfskündigung daher nur bei der exakten Aufeinanderfolge folgender Ereignisse entgegen:
- Vermietung und Überlassung der Wohnung an den Mieter
- Begründung von Wohnungseigentum
- Veräußerung des Wohnungseigentums an den neuen Eigentümer
Weicht die Reihenfolge von der zuvor geschilderten Abfolge ab, weil das Wohnungseigentum beispielsweise bereits vor der Überlassung der Wohnung an den aktuellen Mieter begründet worden ist, kommt § 577a BGB nicht zur Anwendung,
Das Gleiche (nämlich die fehlende Anwendbarkeit der Sperrfrist) gilt grds. auch für solche Fälle, in denen das Wohnungseigentum erst nach der Veräußerung an den Erwerber begründet wurde. Eine wesentliche Ausnahme von diesem Grundsatz macht allerdings § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB, um eine Umgehung der Sperrfrist zu verhindern. Eine Umgehung wäre nämlich dann möglich, wenn ein Haus, in dem sich mehrere abgeschlossene Wohnungen befinden, an denen aber noch kein Wohnungseigentum begründet worden ist, von mehreren Erwerbern, die sich zu einer Erwerbergemeinschaft zusammengetan haben, gemeinschaftlich erworben wird und erst anschließend daran Wohnungseigentum begründet wird, um die einzelnen Einheiten dann auf die Mitglieder der Gemeinschaft zu übertragen. Für eine solche Konstellation erklärt § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB die Kündigungssperrfrist dennoch für anwendbar, indem er bestimmt, dass die Kündigungsbeschränkung gleichermaßen gilt, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist. Auch wenn eine Umgehung grds. eine entsprechende Zielsetzung seitens der Erwerber voraussetzten würde, macht § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB seine Anwendbarkeit weder davon abhängig, dass tatsächlich nach dem Erwerb Wohnungseigentum begründet wird, noch setzt er voraus, dass dies von den Erwerbern beabsichtigt war (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2018 – VIII ZR 104/17). Wurde von der Erwerbermehrheit jedoch eine Wohnung erworben, an der bereits Wohnungseigentum begründet worden ist, kommt die Kündigungssperrfrist gem. § 577a Abs.1a S.2 2. Alt. BGB dann nicht zur Anwendung, wenn das Wohnungseigentum vor der Überlassung des Wohnraums an den Mieter begründet worden ist.
Ob es sich bei den Erwerbern um eine Personengesellschaft (also um eine GbR, eine OHG oder eine KG) oder lediglich um eine „einfache“ Mehrheit von Erwerbern handelt, die nicht die Voraussetzungen des § 705 BGB erfüllt, ist unerheblich, da § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB es ausreichen lässt, dass mehrere Erwerber den Wohnraum erwerben, auch ohne, dass es sich um eine GbR, OHG oder KG handeln muss.
Dennoch macht § 577a Abs.1a BGB in seinem S.2 1. Alt. eine weitere wesentliche Ausnahme von seiner Anwendbarkeit, und zwar in den Fällen, in denen die Gesellschafter oder die Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören. In diesen Fällen müssen die Voraussetzungen des § 577a Abs.1 BGB vorliegen, damit die Sperrfrist zur Anwendung kommt.
Beachte:
Die Ausnahme des § 577a Abs.1a S.2 1. Alt. BGB greift nur dann ein, wenn alle Gesellschafter bzw. Erwerber derselben Familie bzw. demselben Haushalt angehören. Tun sich z. B. zwei Ehepaare zu einer Erwerbermehrheit zusammen, die zwar jeweils als Ehepaar, aber nicht alle vier derselben Familie bzw. demselben Haushalt angehören, sind sie nicht gegenüber sonstigen Erwerbermehrheiten privilegiert mit der Folge, dass auch § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB zur Anwendung kommen kann.
Wichtig:
Die Sperrfrist des § 577a BGB kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung erfolgt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 14.04.1999 – VIII ZR 384–97).
§ 577a Abs.1 BGB sieht vor, dass der Erwerber – sofern die Voraussetzungen für die Sperrfrist vorliegen – für die Dauer von drei Jahren seit der Veräußerung u. a. nicht wegen Eigenbedarfs kündigen kann. Bei dieser vom Gesetzgeber als Regelfrist vorgesehenen Dreijahresfrist handelt es sich allerdings nur um eine Mindestfrist. Durch § 577a Abs.2 BGB werden die Landesregierungen nämlich ermächtigt, für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Rechtsverordnung eine Kündigungssperre bis zur Dauer von zehn Jahren anzuordnen. Solche Rechtsverordnungen existieren in sehr vielen Städten und Gemeinden, so dass die Zehnjahresfrist keine tatsächliche Ausnahme darstellt. Jeder Vermieter, aber auch jeder Mieter, dem wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde oder der befürchtet, eine Eigenbedarfskündigung zu erhalten, sollte genau prüfen, ob es für die entsprechende Region eine entsprechende Rechtsverordnung gibt.
Greift die Sperrfrist des § 577a BGB ein, kann die Kündigung erst nach dem Fristablauf ausgesprochen werden. Geht das Kündigungsschreiben dem Mieter vor Ablauf der Frist zu, ist die Kündigung unwirksam. Eine vor dem Ablauf der Sperrfrist zugegangene Kündigung kann auch nicht als „Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ aufrechterhalten werden. Die Kündigung muss erneut ausgesprochen werden, und zwar so, dass sie dem Mieter erst nach Ablauf der Sperrfrist zugeht (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2003 – VIII ZR 26/03). Da der Vermieter den Zugang erst nach dem Fristablauf bewirken kann, kommt zu der Sperrfrist daher stets noch die einzuhaltende Kündigungsfrist des § 573c Abs.1 BGB hinzu, deren Länge von der Dauer des Mietverhältnisses abhängt, aber mindestens drei Monate beträgt.
II. Kündigungsverzicht im Mietvertrag
Auch wenn die Kündigungssperrfrist des § 577a BGB nicht eingreift, bedeutet dies noch lange nicht, dass einer Eigenbedarfskündigung des neuen Vermieters nichts mehr im Wege steht. Eine Eigenbedarfskündigung ist z. B. auch dann nicht möglich, wenn das Recht des Vermieters, wegen Eigenbedarfs zu kündigen, wirksam vertraglich ausgeschlossen ist. Auch wenn ein Erwerber einer Wohnung, der beabsichtigt, diese selbst zu nutzen, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Mieter nicht treffen wird, kann es jedoch vorkommen, dass der vorherige Vermieter gegenüber dem Mieter auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat. Viele Vermieter, die durch den Erwerb einer Wohnung in ein bestehendes Mietverhältnis eintreten, sind der Auffassung, an eine derartige Vereinbarung zwischen dem vorherigen Vermieter und dem Mieter seien sie nicht gebunden. Diese Auffassung entspricht allerdings nicht der geltenden Rechtslage. Da der neue Vermieter durch den Erwerb der Wohnung gem. § 566 Abs.1 BGB anstelle des bisherigen Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, ist er auch an mietvertragliche Vereinbarungen gebunden, die der bisherige Vermieter mit dem Mieter getroffen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber von dem Kündigungsausschluss gar nichts wusste. Auch das Argument, bei einer Vereinbarung eines Ausschlusses des Rechts zur Eigenbedarfskündigung zwischen dem Vorvermieter und dem Mieter handele es sich um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter, wird von der Rechtsprechung nicht akzeptiert. So entschied es z. B. das LG Berlin II mit Urteil vom 16.05.2024 – 64 S 198/22-, in dem es ausführte, eine Vereinbarung zwischen dem bisherigen Vermieter und dem Mieter über einen Kündigungsverzicht zu Lasten des Vermieters begründe lediglich vertragliche Pflichten der ursprünglichen Mietvertragsparteien. Für die Annahme eines unzulässigen Vertrags zu Lasten Dritter sei es aber erforderlich, dass durch diesen unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle. Die Rechte und Pflichten des Erwerbers ergäben sich – so das LG Berlin – nicht unmittelbar durch die vertragliche Regelung, sondern aus der gesetzlich durch nach § 566 Abs.1 BGB angeordneten Rechtsnachfolge.
Beachte:
Erwirbt der neue Eigentümer und Vermieter die Wohnung nicht auf rechtsgeschäftlichem Wege, sondern kraft Gesetzes im Wege der Zwangsversteigerung und macht er von seinem ihm gem. § 57a ZVG zustehenden Sonderkündigungsrecht Gebrauch, ist er an die zwischen dem bisherigen Vermieter und dem Mieter getroffene Vereinbarung über einen Kündigungsverzicht des Vermieters nicht gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2021 – VIII ZR 76/20).
Auch wenn der Erwerber einer Wohnung zumindest dann, wenn er die Immobilie auf rechtsgeschäftlichem Wege erwirbt, an einen zwischen dem bisherigen Vermieter und dem Mieter vereinbarten Kündigungsverzicht gebunden ist, sollte der neue Vermieter sich nicht voreilig damit zufriedengeben, dass er dauerhaft keine Eigenbedarfskündigung aussprechen kann. Der Kündigungsausschluss steht einer Eigenbedarfskündigung selbstverständlich nur dann im Wege, wenn und soweit er wirksam vereinbart wurde. Dies ist keinesfalls immer der Fall. Insbesondere dann, wenn der Ausschluss des Kündigungsrechts nicht von Anfang an im Mietvertrag enthalten war, sondern erst später durch einen Nachtrag vereinbart worden ist, wird oft das Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht beachtet, wonach eine Befristung eines Mietvertrages von mehr als einem Jahr nur wirksam ist, wenn der Mietvertrag der Schriftform genügt. Dieses Formerfordernis findet – was viele nicht wissen – auch dann Anwendung, wenn das Recht des Vermieters, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, für mehr als ein Jahr ausgeschlossen werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2007 – VIII ZR 223/06).
Besonders dann, wenn der Ausschluss des Kündigungsrechts erst später durch einen Nachtrag vereinbart worden ist, sind an die Einhaltung der Schriftform besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dass die Vereinbarung – wie es § 126 Abs.1 BGB verlangt -schriftlich fixiert und von den Parteien eigenhändig unterzeichnet worden ist, genügt nämlich im Falle eines Nachtrags nicht aus. Die Schriftform ist in diesem Fall nur gewahrt, wenn das Schriftstück, das den Nachtrag enthält, entweder körperlich mit dem Ursprungsvertrag verbunden ist oder – sofern dies nicht der Fall ist – in der Nachtragsvereinbarung eindeutig auf den Ursprungsmietvertrag und etwaige weitere Nachträge, Ergänzungen oder Anlagen mit wesentlichem Vertragsinhalt Bezug genommen wird. Außerdem verlangt der BGH einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags bleiben soll (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2015 – XII ZR 55/14).
Wichtig:
Genügt der Ausschluss des Kündigungsrechts nicht dem Formerfordernis des § 550 BGB, ist der Vermieter dennoch für die Dauer eines Jahres an diesen gebunden. Erst nach Ablauf eines Jahres, das im Falle eines Kündigungsausschlusses, der durch einen Nachtrag vereinbart wurde, erst mit dem Zeitpunkt beginn, zu dem der nicht formgerechte Kündigungsverzicht vereinbart wurde (vgl. OLG Düsseldorf: Urteil vom 05.11.2002 – 24 U 21/02), kann der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB wegen Eigenbedarfs kündigen.
Alle wichtigen Einzelheiten zum Ausschluss des Rechts des Vermieters, wegen Eigenbedarfs zu kündigen, zu der Bindungswirkung für Erwerber der Wohnung und zu den Anforderungen, die § 550 BGB an die Schriftform einer entsprechenden Vereinbarung stellt, können Sie auch in unserem Beitrag „Mietvertrag mit Ausschluss der Eigenbedarfskündigung: Was ist möglich?“ nachlesen.
III. Berechtigtes Interesse für Nutzungswunsch
Hat der Vermieter das Glück, weder durch die Sperrfrist des § 577a BGB noch durch einen Kündigungsausschluss an der Eigenbedarfskündigung gehindert zu sein, ist der Weg zur erfolgreichen Kündigung noch keinesfalls frei. Vielmehr bedarf es nun einer sorgfältigen Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB, der die Eigenbedarfskündigung regelt, überhaupt vorliegen. Gem. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB liegt Eigenbedarf vor, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts „benötigt“. Erforderlich ist daher u. a., dass ein anerkannter Bedarfsgrund vorliegt.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH ist es hierfür ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Vermieter vernünftige nachvollziehbare Gründe für seinen Nutzungswunsch hat (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988 – VIII ARZ 4/87; BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 270/15).
Viele Erwerber einer Wohnimmobilie haben sich zum Erwerb von Grundeigentum entschlossen, um künftig nicht mehr zur Miete wohnen zu müssen. Ob der bloße Wunsch, in Zukunft nicht mehr zur Miete, sondern in den „eigenen vier Wänden“ zu wohnen, für eine Eigenbedarfskündigung ausreicht, wird insbesondere in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.
Verbreitet wird dies bejaht.
So führte beispielsweise das Bundesverfassungsgericht bereits in den 90-er Jahren mit Kammerbeschluss vom 11.11.1993 – 1 BvR 696/93 – aus: „Wer finanzielle Mittel dazu verwendet, eine Eigentumswohnung zu erwerben, um in dieser selbst zu wohnen, weil er Herr seiner eigenen vier Wände sein will, gestaltet sein Leben vernünftig und nachvollziehbar. Wäre eine Kündigung in diesem Fall ausgeschlossen, würde der Vermieter wirtschaftlich in die Rolle eines Eigentümers gedrängt, der sein Wohnungseigentum lediglich als Kapitalanlage nutzten kann. Hiermit würde ihm eine Lebensgestaltung aufgezwungen, die nicht die seine ist.“
Dieser Auffassung haben sich sowohl der BGH, z. B. mit seinen Urteilen vom 11.12.2019 – VIII ZR 144/19- und vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18 -, als auch viele Instanzgerichte angeschlossen. Zu nennen sind hier z. B. das Urteil des LG Mainz vom 06.02.1996 – 3 S 248/95- sowie die Entscheidungen des AG Köln vom 08.10.2012 – 222 C 488/11- und des LG Itzehoe vom 20.12.2013 – 9 S 31/13.
Es gibt jedoch auch Entscheidungen, wie die des LG Potsdam vom 04.12.1997 – 31 S 61/97-, die das Gegenteil vertreten und den bloßen Wunsch des Vermieters, „Herr seiner eigenen vier Wände“ zu sein, nicht ausreichen lassen, sondern einen darüberhinausgehenden vernünftigen und nachvollziehbaren Grund fordern. Nach der Auffassung des LG Potsdam ist der Wunsch, mietfrei zu wohnen, dann kein hinreichend nachvollziehbarer Grund für den Eigenbedarf, wenn eine Belastung des Eigentümers durch die eigenen Mietzahlungen aufgrund höherer Einnahmen aus der Vermietung des Eigentums nicht feststellbar ist.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des AG Berlin – Charlottenburg vom 05.09.2019 – 230 C 45/19. Darin urteilt das Gericht, eine Eigenbedarfskündigung sei generell unwirksam, wenn der Vermieter die Wohnung von vornherein in der Absicht erwerben würde, sie anschließend selbst zu beziehen bzw. einem Angehörigen zu überlassen. Anders als beispielsweise das zuvor erwähnte LG Potsdam, das den Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, allein nicht für ausreichend erachtete und einen darüberhinausgehenden Grund verlangte, begründet das AG Berlin – Charlottenburg die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung allerdings damit, dass der Kündigung der in § 242 BGB verankerte Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe. Die Situation, in der der Vermieter bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnung beabsichtige, diese selbst zu beziehen bzw. einem Angehörigen zur Verfügung zu stellen, sei nicht anders zu bewerten als diejenige, in der der Vermieter im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits entschlossen war oder zumindest erwogen hat, die Wohnung alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Da eine Eigenbedarfskündigung in derartigen Fällen anerkanntermaßen wegen widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB unwirksam sei, wenn der Vermieter den Mieter nicht bei Vertragsschluss über die begrenzte Mietdauer aufgeklärt hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 154/14), gelte dies auch für diejenigen Fälle, in denen ein Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs die gleiche Absicht habe. Mit dieser Entscheidung geht das AG Berlin – Charlottenburg deutlich weiter als andere Gerichte, die lediglich den Wunsch, nicht mehr zur Miete wohnen zu müssen, nicht ausreichen lassen, sondern einen darüberhinausgehenden Grund fordern. Das AG Berlin – Charlottenburg hält eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nämlich bei Eigennutzungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs ohne deren Offenlegung immer und auch dann für rechtsmissbräuchlich und unwirksam, wenn ein entsprechender weiterreichender Grund vorliegt, der über den Wunsch, nicht mehr zur Miete zu wohnen, hinausgeht. Diese Entscheidung stellt allerdings bislang eine absolute Mindermeinung dar und ist bislang noch von keinem anderen Gericht bestätigt worden. Zumindest im Amtsgerichtsbezirk Berlin – Charlottenburg hat diese Rechtsprechung allerdings Geltung und es ist auch keineswegs ausgeschlossen, dass auch andere Gerichte entsprechend urteilen werden.
Bis zu dieser Frage Klarheit herrscht, ist außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Berlin – Charlottenburg jedoch noch davon auszugehen, dass im Falle des sog. gekauften Eigenbedarfs, der vorliegt, wenn der Erwerb mit der Absicht erfolgt, nicht mehr zur Miete wohnen zu müssen, sondern die Wohnung selbst zu nutzen bzw. einem Angehörigen zu überlassen, kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Erwerbers vorliegt, da der Vermieter gem. § 566 BGB kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eintritt und es zwischen dem Erwerber und dem Mieter nicht zu einem tatsächlichen, auf rechtsgeschäftlichen Erklärungen beruhenden neuen Vertragsschluss kommt. Somit liegt auch keine Erklärung des Erwerbers dem Mieter gegenüber vor, zu der der Erwerber sich rechtsmissbräuchlich durch eine Kündigung in Widerspruch setzen könnte.
Auch wenn es derzeit noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH entspricht, dass der Wunsch, künftig Herr seiner eigenen vier Wände zu sein, für eine Eigenbedarfskündigung des Erwerbers ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 144/19; BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18), ist es nach dem zuvor Gesagten nicht auszuschließen, dass ein Instanzgericht in einem etwaigen gerichtlichen Rechtsstreit der Ansicht folgt, dass der Wunsch allein, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, nicht genügt, um Eigenbedarf bejahen zu können. Eine Eigenbedarfskündigung hält daher nur dann mit Gewissheit einer gerichtlichen Überprüfung stand, wenn der Erwerber einen über seinen Wunsch, künftig im Eigentum und nicht mehr zur Miete zu wohnen, hinausgehenden vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für seinen Nutzungswunsch hat.
Ein solcher Grund wird z.B. dann bejaht, wenn der Vermieter für seinen Wunsch, künftig in seinem Eigentum zu wohnen, wirtschaftliche Gründe vorweisen kann. Finanzelle bzw. wirtschaftliche Interessen können z. B. dann einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund darstellen, der zur Eigenbedarfskündigung berechtigt, wenn der Vermieter seine Kosten durch den Bezug der eigenen Wohnung in nicht nur unerheblicher Weise minimieren kann, weil der Wegfall der eigenen Pflicht zur Zahlung von Miete auch unter Berücksichtigung des Fortfalls der Mieteinnahmen aus der Vermietung der gekündigten Wohnung eine nennenswerte Ersparnis bedeutet.
Die Gerichte erkennen Eigenbedarf daher grds. an, wenn die Wohnung des Vermieters für diesen zu teuer geworden ist und er aus der eigenen Mietwohnung ausziehen möchte, um in der gekündigten kleineren und preiswerteren Wohnung zu wohnen (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 23. 01.1990 – 2/11 S 389/89; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. 06. 1989- 21 S 32/89). Ein vernünftiger nachvollziehbarer Grund liegt in diesem Case zumindest dann vor, wenn die Ersparnis nicht ganz unerheblich ist, was nach einem Urteil des AG Bad Schwartau vom 16. 06.1989 – 3 C 1181/88 – bei einer Ersparnis von (damals noch) DM 210,00 der Fall sein soll.
Auch alle anderen Gründe, die für alle Vermieter unabhängig davon, ob ein Vermieterwechsel durch den Erwerb einer Wohnung eingetreten ist, anerkannt sind, kommen als Bedarfsgrund in Betracht. Relevant für einen Wohnungserwerber können hier z. B. der Wunsch sein, sich zu vergrößern, weil die bisherige (Miet-) Wohnung, beispielsweise wegen Familienzuwachses, zu klein geworden ist (vgl. LG Wiesbaden Urteil vom 12.05.2017 – 3 S 73/16). Auch der Wunsch, die erworbene Wohnung einem volljährig gewordenen Kind zu überlassen, damit dieses dort einen eigenen Hausstand gründen kann, kommt in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2010 – VIII ZR 78/10).
IV. Fazit und Zusammenfassung
- Kündigt ein Vermieter, der durch den Erwerb einer Wohnimmobilie in das Mietverhältnis eingetreten ist, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, steht der Kündigung für die Dauer von 3 bis 10 Jahren die Sperrfrist des § 577a Abs.1 BGB entgegen, wenn an der erworbenen Wohnung nach der Überlassung der Wohnung an den Mieter, aber vor der Veräußerung der Wohnung an den neuen Eigentümer Wohnungseigentum begründet worden ist.
- Die Sperrfrist gilt gem. § 577a Abs.1a S.1 Nr.1 BGB grds. außerdem in denjenigen Fällen, in denen eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber die vermietete Wohnung erwerben, und zwar unabhängig davon, ob anschließend Wohnungseigentum begründet wird oder dies beabsichtigt war. Ausgenommen von der weiterreichenden Sperrfrist des § 577a Abs.1a Nr.1 BGB sind gem. § 577a Abs.1a S.2 BGB lediglich solche Fälle, in denen alle Erwerber derselben Familie bzw. demselben Haushalt angehören, oder wenn bereits vor der Überlassung der Wohnung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.
- Haben der bisherige Vermieter und der Mieter eine Vereinbarung getroffen, wonach das Recht des Vermieters, wegen Eigenbedarfs zu kündigen, (zeitweise) ausgeschlossen ist, ist auch der Erwerber an die Vereinbarung gebunden, wenn bzw. soweit sie wirksam ist. Erfolgt der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung, steht dem Erwerber allerdings trotz des Kündigungsausschlusses ein Sonderkündigungsrecht zu.
- Ob der bloße Wunsch, in Zukunft nicht mehr zur Miete, sondern in den „eigenen vier Wänden“ zu wohnen, für eine Eigenbedarfskündigung ausreicht, wird insbesondere in der Rechtsprechung nicht ganz einheitlich beurteilt, auch wenn dies nach der bislang geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung der Fall ist. Eine Eigenbedarfskündigung hält daher nur dann mit Gewissheit einer gerichtlichen Überprüfung stand, wenn der Erwerber einen über seinen Wunsch, künftig im Eigentum und nicht mehr zur Miete zu wohnen, hinausgehenden vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für seinen Nutzungswunsch hat.
Schreiben Sie einen Kommentar