Patchworkfamilien erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und sind heutzutage keine Rarität mehr. Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, als Patchworkfamilie zusammen zu leben. Nach der gängigen, auch vom Bundesfamilienministerium verwendeten Definition handelt es sich bei einer Patchworkfamilie um „eine um Dauer bemühte Lebensgemeinschaft, in die mindestens einer der Partner mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mitbringt, wobei das Kind bzw. die Kinder zeitweise auch im Haushalt des jeweils zweiten leiblichen Elternteils leben kann bzw. können“ (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in: Stief- und Patchworkfamillien in Deutschland, Monitor Familienforschung, S.6). Für die Ausgestaltung der Beziehung zwischen den Partnern gibt es keine Vorgaben. Dass die beiden Partner miteinander (ggf. in zweiter Ehe) verheiratet sind, ist nur eines von vielen Modellen. Sofern einer der beiden Partner mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mitbringt, handelt es sich auch bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleich- oder verschiedengeschlechtlicher Partner ebenso um eine Patchworkfamilie, wie es der Fall ist, wenn gleichgeschlechtliche Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i. S. d. § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) leben oder eine (inzwischen gem. § 1353 Abs.1 BGB zulässige) gleichgeschlechtliche Ehe führen. Auch die Partner einer Patchworkfamilie können selbstverständlich Wohneigentum besitzen und dieses vermieten. Entsteht im Laufe der Zeit der Wunsch, den vermieteten Wohnraum künftig einem Mitglied der Patchworkfamilie zu überlassen, stellt sich die berechtigte Frage, ob eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten dieses Mitglieds überhaupt möglich ist. Während sich diese Frage bei einer Familie, in der beide Partner miteinander verheiratet sind und ausschließlich gemeinsame Kinder haben, noch leichter beantworten lässt, können sich im Falle einer Patchworkfamilie mitunter komplizierte rechtliche Fragen bzgl. der zulässigen Bedarfsperson ergeben. Antworten hierauf finden Sie im folgenden Beitrag.
Inhalt: Eigenbedarf für Patchwork-Familienmitglieder: Wer zählt dazu?
II. Eigenbedarfskündigung zu Gunsten eines Haushaltsangehörigen
III. Eigenbedarfskündigung zu Gunsten eines Familienangehörigen
2. Familienangehörige bei Patchwortkfamilie unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung
I. Das Gesetz lässt eine Eigenbedarfskündigung für Dritte nur zu Gunsten von Haushaltsangehörigen und Familienangehörigen zu
Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt Eigenbedarf vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Eine Eigenbedarfskündigung, die mit dem Ziel ausgesprochen wird, die Wohnung nicht selbst zu nutzen, sondern einem Dritten zu überlassen, ist daher nur wirksam, wenn es sich bei der Bedarfsperson um einen Familienangehörigen oder einen Angehörigen des Haushalts des Vermieters handelt. Da das Gesetz in § 573 Abs.2 Nr.2 BGB weder eine Definition des Familienangehörigen noch eine Definition des Haushaltangehörigen enthält, was schon in vielen Fällen zu Unsicherheit, Streit und gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt hat, soll im Folgenden unter besonderer Berücksichtigung der speziellen Verhältnisse bei einer Patchworkfamilie dargelegt werden, welche Personen im Einzelnen als berechtigte Bedarfspersonen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB anzusehen sind, zu deren Gunsten eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden kann.
II. Eigenbedarfskündigung zu Gunsten eines Haushaltsangehörigen
Soll die Eigenbedarfskündigung zu Gunsten einer Person erfolgen, bei der es sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vgl. LG Berlin, Endurteil vom 30.10.2019 – 66 S 80/19) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (zum Wegfall des Eigenbedarfs vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2005 – VIII ZR 339/04) um einen Haushaltangehörigen handelt, ergeben sich grds. keine rechtlichen Unterschiede im Vergleich zu dem – trotz der gesellschaftlichen Veränderungen noch als solchem bezeichneten – sog. „klassischen Familienmodell“, bei dem beide Partner miteinander verheiratet sind und ausschließlich gemeinsame Kinder haben. Die Einstufung als „Haushaltsangehöriger“ hängt nämlich – anders als die Klassifikation zum „Familienangehörigen“ – weder von bestimmten verwandtschaftlichen oder schwägerschaftlichen Beziehungen noch von einer Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ab. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es vielmehr, dass die Person, der die Wohnung überlassen werden soll, mit dem Vermieter nicht nur vorübergehend, sondern in einer auf Dauer angelegten Hausgemeinschaft lebt (vgl. LG Berlin, Endurteil vom 30.10.2019 – 66 S 80/19). Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann z. B. ein Partner, der alleiniger Vermieter ist, eine Eigenbedarfskündigung nicht nur zu Gunsten der von ihm selbst in die Patchworkfamilie eingebrachten Familienmitglieder, sondern auch zu Gunsten seines Partners bzw. seiner Partnerin und derjenigen Familienmitglieder aussprechen, die dieser bzw. diese mit in die Patchworkfamilie eingebracht hat. Dies gilt nicht nur dann, wenn die beiden Partner miteinander verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, sondern auch dann, wenn sie „nur“ eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen.
Beispiel:
Vermieter V lebt mit seiner Partnerin P in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Mit ihnen zusammen im gemeinsamen Haushalt wohnt schon seit vielen Jahren u. a. der inzwischen 18 – jährige Sohn S von P aus einer früheren Beziehung von P zu einem anderen Mann. Da S nach seinem Abitur ausziehen und einen eigenen Haushalt gründen möchte, kündigt V das mit Mieter M bestehende Mietverhältnis über eine sich im Eigentum von V befindende 1 – Zimmerwohnung. M hält die Kündigung für unwirksam und begründet dies damit, dass S deshalb nicht zum Kreis derer gehöre, für die gem. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, weil zwischen V und S weder verwandtschaftliche Beziehungen bestünden noch die beiden miteinander verschwägert seien. Da M sich weigert, die Wohnung zu räumen, erhebt V Räumungsklage.
Lösung:
Das zuständige Amtsgericht wird der Klage stattgeben und M zur Räumung verurteilen, da S als Haushaltsangehöriger als berechtigte Bedarfsperson i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB einzustufen ist. Das Fehlen einer verwandtschaftlichen oder schwägerschaftlichen Beziehungen zwischen V und S spielt daher keine Rolle.
III. Eigenbedarfskündigung zu Gunsten eines Familienangehörigen
Mit erheblich höheren Hürden verbunden ist eine Eigenbedarfskündigung hingegen dann, wenn diejenige Person, zu deren Gunsten die Kündigung ausgesprochen werden soll, nicht oder zumindest nicht in einem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt mit dem Vermieter lebt. In diesen Fällen kommt es entscheidend auf die zwischen dem Vermieter und der Bedarfsperson bestehende rechtliche Beziehungen an. Nur dann nämlich, wenn es sich bei der Bedarfsperson um einen Familienangehörigen des Vermieters i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB handelt, ist eine Eigenbedarfskündigung in diesen Fällen möglich.
Sind beide Partner der Patchworkfamilie Vermieter der Wohnung, ergeben sich bei einer Patchworkfamilie grds. keine Besonderheiten im Vergleich zum „klassischen“ Familienmodell, da es genügt, dass es sich bei der Bedarfsperson um einen Familienangehörigen von zumindest einem der Vermieter handelt (vgl. LG Berlin II, Urteil vom 18.04.2024 – 65 S 172/23).
Sehr viel komplizierter gestaltet sich die Einstufung einer Bedarfsperson als Familienmitglied des Vermieters hingegen dann, wenn nur einer der Partner die Wohnung vermietet hat und die Eigenbedarfskündigung nicht zu Gunsten der von ihm selbst in die Patchworkfamilie eingebrachten Familienmitglieder, sondern zu Gunsten seines Partners bzw. seiner Partnerin und oder derjenigen Familienmitglieder ausgesprochen werden soll, die der Partner mit in die Patchworkfamilie eingebracht hat. Leben die beiden Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ist eine Einstufung der Bedarfsperson als Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB in diesen Fällen grds. nicht möglich (vgl. dazu die Ausführungen unten unter III.2a)).
1. Wichtige Rechtsprechungsänderung zum Familienangehörigen – Nur noch Zeugnisverweigerungsrecht ist entscheidend
Was die Definition des Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB anbelangt, ist eine bedeutende Veränderung in der Rechtsprechung des BGH zu beachten, die dieser im Jahr 2024 endgültig vollzogen hat und die die rechtliche Beurteilung von Eigenbedarfskündigungen bzgl. der zulässigen Bedarfsperson vermutlich stark beeinflussen wird. Der Kreis derer, denen die Eigenschaft eines Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB zugesprochen werden kann, hat sich durch das entsprechende Urteil des BGH vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 – erheblich verkleinert.
Bis zu diesem Urteil entsprach es der gängigen Rechtsprechung, dass bzgl. der zulässigen Bedarfsperson zu unterscheiden war zwischen solchen Personen, die allein im Hinblick auf ihre nahe familiäre bzw. verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung zum Vermieter ohne weitere Prüfung zu dem von § 573 Abs.2 Nr.2 BGB begünstigten Personenkreis gehören, und solchen entfernteren verwandten oder verschwägerten Personen, für die Eigenbedarf nur dann geltend gemacht werden konnte, wenn diese im Einzelfall nachweisbar eine enge soziale Bindung zum Vermieter oder besonders engen Kontakt mit ihm haben (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2009 – VIII ZR 247/08). Sofern diese enge Bindung bestand, zählten auch solche Personen zum Kreis der Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB, die keine besonders nahe gesetzliche verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung zum Vermieter haben. Bis zu der Rechtsprechungsänderung des BGH konnte im Einzelfall z. B. auch zu Gunsten der Cousine oder des Cousins des Vermieters Eigenbedarf geltend gemacht werden (vgl. OLG Braunschweig, Rechtsentscheid vom 01.11.1993 – 1 W 26/93). Sogar der Onkel oder die Tante des Ehegatten des Vermieters wurden bei bestehender und nachgewiesener enger sozialer Bindung zum Kreis der Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB gezählt (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 08.11.1990 – 33 C 2911/90-26).
Mit seinem richtungsweisenden Urteil vom 10.07.2024 hat der BGH die Unterscheidung zwischen solchen Personen, die allein im Hinblick auf ihre nahe familiäre bzw. verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung zum Vermieter ohne weitere Prüfung zu dem von § 573 Abs.2 Nr.2 BGB begünstigten Personenkreis gehören, und solchen entfernteren verwandten oder verschwägerten Personen, die im Einzelfall nachweisbar eine enge soziale Bindung zum Vermieter haben, vollständig aufgegeben. Nach der neuen Rechtsprechung kommt es nun einzig allein darauf an, dass es sich bei der Bedarfsperson um eine dem gesetzlichen Grad der Verwandtschaft bzw. Schwägerschaft nach nahe verwandte oder verschwägerte Person handelt. Ist dies nicht der Fall, ist nach der neuen Rechtsprechung des BGH eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten einer dem Gesetz nach entfernteren verwandten oder verschwägerten Person auch dann nicht möglich, wenn zwischen der Bedarfsperson und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung vorhanden ist.
Hinzukommt, dass der BGH keinen Spielraum mehr bei der Beantwortung der Frage lässt, ob die erforderliche verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung der Bedarfsperson zum Vermieter dem Grad nach eng genug ist, um die Bedarfsperson als Familienangehörigen einstufen zu können. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich nunmehr unmittelbar aus dem Gesetz, und zwar aus § 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO bzw. dem insoweit inhaltsgleichen § 52 Abs.1 Nr.1 – 3 StPO mit der Folge, dass als Familienangehörige i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB nur noch diejenigen Personen anzusehen sind, die in einem Zivil- oder Strafprozess, in dem der Vermieter Partei oder Beschuldigter wäre, aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO bzw. gem. § 52 Abs.1 Nr. 1 – 3 StPO das Zeugnis verweigern dürften.
Gem.§ 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO bzw. § 52 Abs.1 Nr. 1 – 3 StPO sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, und damit auch als Familienangehörige i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB einzustufen:
- der Verlobte des Vermieters;
- der Ehegatte des Vermieters, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
- der Lebenspartner des Vermieters, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
- diejenigen, die mit dem Vermieter in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren.
Beachte: Gegenstand des Urteils des BGH vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 – war zwar nicht der Begriff des Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB. Vielmehr ging es um die Auslegung des Begriffs der „Familie“ i. S. d. § 577a Abs.1a S.2 BGB, der im Rahmen der Kündigungssperrfrist des § 577a BGB eine Rolle spielt. Nach einhelliger Meinung lassen sich jedoch die Ausführungen des BGH zum Begriff der „Familie“ i. S. d. § 577a Abs.1a S.2 BGB auch auf den Begriff des Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB übertragen. Eine ausführliche Besprechung der Entscheidung des BGH vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23- finden Sie hier.
2. Familienangehörige bei Patchwortkfamilie unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung
Wendet man die neuen unter III.1. dargelegten Grundsätze des BGH zum Begriff des Familienangehörigen auf eine Patchworkfamilie an, hat dies folgende Konsequenzen:
a) Keine Möglichkeit zur Eigenbedarfskündigung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft
Schon vor der vorangehend geschilderten Rechtsprechungsänderung des BGH entsprach es der herrschenden Meinung, dass es sich bei dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und dessen Angehörigen nicht um Familienangehörige i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB handelt. Dies gilt selbstverständlich weiterhin, da den Vermieter und seinen Partner bzw. seiner Partnerin in diesen Fällen weder eine Ehe bzw. eine eingetragene Lebenspartnerschaft verbindet noch zu den Verwandten des jeweils anderen Partners eine verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung besteht, weder direkt gem. § 1590 BGB noch im Wege der Fiktion des § 11 Abs.2 LPartG. Sofern die betreffende Person mit dem Vermieter nicht in einem auf Dauer angelegen gemeinsamen Haushalt lebt, ist daher eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten des nichtehelichen Lebenspartners und oder dessen Verwandten nicht möglich.
Beispiel:
Vermieter V und seine Partnerin P führen eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und wohnen zusammen mit einem Sohn von V aus einer früheren Ehe in einem gemeinsamen Haushalt in Berlin. Die Tochter T von P, die P aus einer früheren Partnerschaft mit einem anderen Mann hat, lebt hingegen bei ihrem Vater in Hamburg. Da sie ihr Abitur gemacht und in eine eigene Wohnung ziehen möchte, möchte V, der Eigentümer einer Wohnung in Hamburg ist, das bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigen, um T die Wohnung zu überlassen. Mieter M hält dies für unzulässig und befragt seinen Rechtsanwalt dazu.
Lösung:
Der beauftragte Rechtsanwalt wird M Recht geben. T ist weder mit V verwandt noch verschwägert mit der Folge, dass ihr in einem eventuellen Zivil- oder Strafprozess, in dem V Partei oder Beschuldigter wäre, kein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO bzw. gem. § 52 Abs.1 Nr. 1 – 3 StPO zustünde. Sie kann daher nicht als Familienangehörige des V i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB angesehen werden.
Beachte:
Bei einer Patchworkfamilie kommt es nicht selten vor, dass der eine Partner ein Kind des anderen Partners adoptiert. Eine entsprechende Adoption ist seit dem 31.03.2020 gem. § 1766a BGB auch dann möglich, wenn die Partner weder miteinander verheiratet sind noch eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen, sondern in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben. Durch die Adoption erlangt das Kind gem. § 1766a Abs.1 BGB i. V. m. § 1754 Abs.1 BGB die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Partner, so dass ein echtes rechtliches Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Kind entsteht. In diesen Fällen gelten daher die unter III. 2c) dargelegten Grundsätze.
b) Möglichkeit zur Eigenbedarfskündigung bei Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft
Sehr viel häufiger ist eine Eigenbedarfskündigung möglich, wenn die Partner der Patchworkfamilie entweder miteinander verheiratet sind oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen. Möchte einer der Ehegatten bzw. einer der eingetragenen Lebenspartner das von ihm als alleinigem Vermieter begründete Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigen, um die Wohnung entweder dem Ehepartner bzw. dem eingetragenen Lebenspartner oder aber einem Verwandten des Ehegatten bzw. des eingetragenen Lebenspartners, zu überlassen, ist dies selbst dann, wenn diese Person mit dem Vermieter keine auf Dauer angelegte Hausgemeinschaft führt, möglich, wenn es sich bei der Bedarfsperson um eine der folgenden Personen handelt. Zu beachten ist bei der folgenden Auflistung allerdings, dass solche mit dem Vermieter in grader Linie verschwägerte Personen, die im Regelfall bereits verstorben oder noch gar nicht geboren sind, außer Acht gelassen werden und die nachfolgende Liste auch im Übrigen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Zur Verweigerung des Zeugnisses im Zivil- oder Strafprozess berechtigt, und damit Familienangehörige i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB bzw. zulässige Bedarfspersonen sind in der zuvor geschilderten Bedarfssituation:
- der bzw. die Verlobte des Vermieters;
- der Ehegatte des Vermieters, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
- der eingetragene Lebenspartner des Vermieters, auch wenn die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
- in grader Linie mit dem Vermieter zurzeit oder früher einmal verschwägerte Personen, also die Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Kinder, Enkelkinder und Urenkel des Ehegatten bzw. des eingetragenen Lebenspartners (vgl. dazu § 11 Abs.2 LPartG), und zwar auch dann, wenn die Ehe bzw. die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, und
- bis zum 2. Grad in der Seitenlinie mit dem Vermieter derzeit oder früher verschwägerte Personen, also die Geschwister des Ehegatten bzw. des eingetragenen Lebenspartners, und zwar auch dann, wenn die Ehe bzw. die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht.
Beachte:
Adoptiert ein Ehepartner oder – was gem. § 9 Abs.6 LPartG ebenso möglich ist – ein Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Kind des anderen Ehepartners bzw. des anderen Lebenspartners, erlangt das Kind gem. § 1754 Abs.1 BGB bzw. gem. § 9 Abs.6 LPartG die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten bzw. der eingetragenen Lebenspartner mit der Folge, dass die Ausführungen unter III. 2c) gelten.
c) Überlassung an eigene Verwandte oder an mittels eigener Verwandter verschwägerte Personen
Möchte der Vermieter die Wohnung seinen eigenen Verwandten oder solchen Personen überlassen, mit denen er auf Grund einer Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft seiner Verwandten verschwägerten ist, sind als zulässige Bedarfspersonen die folgenden anzusehen:
in grader Linie mit dem Vermieter verwandte Personen, also die Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Kinder, Enkelkinder und Urenkel des Vermieters etc.,
bis zum dritten Grad in der Seitenlinie mit dem Vermieter verwandte Personen, also die Geschwister, Onkel und Tanten sowie Nichten und Neffen des Vermieters,
die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner der in grader Linie mit dem Vermieter Verwandten, also die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner der Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Kinder, Enkelkinder und Urenkel des Vermieters etc., und zwar auch dann, wenn die Ehe bzw. die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, und
die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner der bis zum 2. Grad in der Seitenlinie mit dem Vermieter Verwandten, also die Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner der Geschwister des Vermieters, und zwar auch dann, wenn die Ehe bzw. die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht.
Beachte:
Die Eigenschaft der Bedarfsperson als Familien- oder Haushaltsangehöriger ist nur eine von vielen Voraussetzungen, die für eine wirksame Eigenbedarfskündigung vorliegen müssen. Die meisten Probleme bereitet in der Regel das erforderliche berechtigte und nachvollziehbare Nutzungs- bzw. Überlassungsinteresse des Vermieters. Trotz der durchaus berechtigten intensiven Prüfung, ob es sich bei der Bedarfsperson um einen Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB handelt, sollte der Vermieter nicht vergessen zu prüfen, ob sein Überlassungsinteresse den von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen genügt, und außerdem im Blick behalten, dass die Gründe für seinen Wunsch, die Wohnung einem Angehörigen zu überlassen, im Kündigungsschreiben möglichst ausführlich darzulegen sind.
IV. Fazit und Zusammenfassung:
- Ist der Vermieter Mitglied einer Patchworkfamilie und möchte er das Mietverhältnis über eine von ihm vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, um die Wohnung einem Mitglied der Patchworkfamilie zu überlassen, stellt sich oft die berechtigte Frage, ob diese Person zum Kreis derer gehört, für die gem. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB Eigenbedarf geltend gemacht werden kann.
- Während grds. keine Probleme entstehen, wenn die entsprechende Person zusammen mit dem Vermieter in einem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt lebt, können Unsicherheiten dann entstehen, wenn dies nicht der Fall ist, so dass es darauf ankommt, ob es sich bei der Bedarfsperson um einen Familienangehörigen i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB handelt.
- Nach der neusten Rechtsprechung des BGH ist eine Einstufung einer Person als Familienangehöriger i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB nur dann möglich, wenn diese Person in einem im Zivil- oder Strafprozess, in dem der Vermieter Partei oder Beschuldigter wäre, aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO bzw. gem. § 52 Abs.1 Nr. 1 – 3 StPO das Zeugnis verweigern dürfte.
- Führt der Vermieter mit seinem Partner bzw. seiner Partnerin eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, handelt es sich bei dem Partner und dessen Angehörigen nicht um Familienangehörige i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB, da den Vermieter und seinen Partner bzw. seiner Partnerin in diesen Fällen weder eine Ehe bzw. eine eingetragene Lebenspartnerschaft verbindet noch zu den Verwandten des jeweils anderen Partners eine verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung besteht. Sofern die entsprechende Bedarfsperson mit dem Vermieter nicht in einem auf Dauer angelegen gemeinsamen Haushalt lebt, ist daher eine Eigenbedarfskündigung zu ihren Gunsten nicht möglich.
- Ist der Vermieter bzw. die Vermieterin mit seinem / ihrem Partner bzw. Partnerin verheiratet oder führt mit ihr bzw. ihm eine eingetragene Lebenspartnerschaft, muss – sofern die Bedarfsperson nicht im gemeinsamen Haushalt lebt – sorgfältig geprüft werden, ob sie tatsächlich zu dem Kreis der gem. § 383 Abs.1 Nr. 1 – 3 ZPO gem. § 52 Abs.1 Nr. 1 – 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen gehört.
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