Möchte der Vermieter ein Mietverhältnis durch eine ordentliche fristgerechte Kündigung beenden, hat er es in der Regel sehr viel schwerer als der Mieter, der eine fristgerechte Kündigung grds. jederzeit grundlos mit einer Frist von drei Monaten aussprechen kann, sofern kein Kündigungsverzicht oder eine Befristung vereinbart wurde. Der Vermieter benötigt nämlich gem. § 573 BGB im Regelfall ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, um eine ordentliche fristgerechte Kündigung aussprechen zu können. In bestimmten Fällen macht das Gesetz von diesem Grundsatz, der dem Schutz des Mieters vor dem Verlust seines Wohnraumes dient, jedoch eine Ausnahme und hält den Vermieter seinerseits für schutzbedürftig. Eine solche Ausnahme ist insbesondere in § 573a Abs.1 BGB geregelt. Danach kann ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen vom Vermieter fristgerecht gekündigt werden, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 BGB bedarf. In diesem Fall hält der Gesetzgeber den Vermieter nämlich deshalb für besonders schutzbedürftig, weil sich Spannungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter in Anbetracht des engen Zusammenlebens der Parteien besonders stark auswirken und die Harmonie des eigenen Wohnumfelds des Vermieters stören können. In dem in § 573a Abs.1 BGB festgelegten Fall soll der Vermieter das Mietverhältnis daher auch dann beenden können, wenn die Gründe, die ihn dazu bewegen, weder die Voraussetzungen des § 573 BGB noch die Voraussetzungen der §§ 543, 569 BGB für eine außerordentliche fristlose Kündigung erfüllen. Die Schutzbedürftigkeit des Vermieters macht der Gesetzgeber dabei nicht vom tatsächlichen Vorliegen von Spannungen zwischen Vermieter und Mieter, sondern allein von der Anzahl der Wohnungen, die sich in dem Gebäude befinden, sowie davon abhängig, dass der Vermieter eine der Wohnungen selbst bewohnt. Während der Schutz dem Vermieter dann noch gewährt wird, wenn ein Gebäude über zwei Wohnungen verfügt, besteht das erleichterte Kündigungsrecht des § 573a Abs.1 BGB schon dann nicht mehr, wenn nur eine einzige Wohnung hinzukommt, das Gebäude also aus drei Wohnungen besteht. Dieser Grenzziehung liegt die Annahme zugrunde, dass die besondere Nähe von Vermieter und Mieter bei Mehrfamilienhäusern, also Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen, nicht besteht. Darüber, wie diejenigen Fälle rechtlich zu bewerten sind, in denen drei verschiedene Parteien bzw. Haushaltsgemeinschaften drei selbständige Wohnungen bewohnen, gibt es grds. keinen Streit. Probleme kann es jedoch in Grenzfällen geben, in denen die Anzahl der Wohnungen zwar nicht eindeutig auf zwei beschränkt ist, die räumliche Situation den vom Gesetz geforderten räumlichen Näheverhältnissen aber sehr nahekommt.
Der Fall – Die Vermieter nutzten zwei von drei Wohnungen
Ein solcher Grenzfall lag auch in dem Fall vor, den das AG Stuttgart mit Urteil vom 04.04.2023 zu bewerten hatte. In diesem Fall hatten die Mieter die Erdgeschosswohnung in einem Gebäude angemietet, in dem sich eine weitere Wohnung im ersten Obergeschoss und eine dritte selbständige Wohnung im Dachgeschoss befand. Die Vermieter bewohnten die Wohnung im Obergeschoss und nutzten die Dachgeschosswohnung als Büro und Atelier. Die Vermieter kündigten den Mietern in erster Linie außerordentlich fristlos wegen angeblicher Störung des Hausfriedens gem. §§ 543 Abs.1, 569 Abs.2 BGB, hilfsweise ordentlich fristgerecht gem. § 573 Abs.1 Nr.1 BGB wegen schuldhafter Pflichtverletzungen, weil sie den Mietern Beleidigungen und Angriffe auf ihre Person vorwarfen. Ebenfalls hilfsweise stützten sie ihre Kündigung auf § 573a Abs.1 BGB. Da die Mieter die Wohnung nicht räumten, erhoben die Vermieter u.a. Räumungsklage.
Die Entscheidung – Kein erleichtertes Kündigungsrecht für die Vermieter
Das AG Stuttgart wies die Räumungsklage ab, da es keinen Kündigungsgrund bejahen konnte. Sowohl die außerordentliche fristlose als auch die auf § 573 Abs.1 Nr.1 BGB gestützte ordentliche fristgerechte Kündigung hielt das Gericht für unwirksam, weil es keine Tatsachen als nachgewiesen erachten konnte, die einen wichtigen Grund i. S. d. § 543 Abs.1 BGB oder aber eine nicht unerhebliche schuldhafte Pflichtverletzung i. S. § 573 Abs.1 Nr.1 BGB, und damit ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses begründen würden.
Aber auch die hilfsweise auf § 573a Abs.1 BGB, der keinen Kündigungsgrund verlangt, gestützte Kündigung war nach Ansicht des Gerichts nicht wirksam. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Voraussetzungen des § 573a Abs.1 BGB lägen nicht vor, weil sich in dem Gebäude nicht zwei – wie es § 573a Abs.1 BGB verlange -, sondern drei getrennte Wohnungen befänden. Die dritte Wohnung werde durch die Vermieter als Büro und Atelier genutzt. Dass der Kündigungstatbestand des § 573a Abs.1 BGB unanwendbar ist, wenn sich in dem Gebäude mehr als zwei Wohnungen befinden, gelte auch dann, wenn der Vermieter die dritte Wohnung – wie im vorliegenden Fall – als Teil seiner eigenen Wohnung nutze. Das AG Stuttgart nahm ausdrücklich Bezug auf eine vergleichbare Entscheidung des BGH vom 17.11.2010 – VIII ZR 90/10. In dem Fall, der dem Urteil vom 17.11.2010 zugrunde lag, befanden sich in dem Gebäude neben der an den Mieter vermieteten Wohnung im 1. Stock eine von den Vermietern bewohnte Wohnung im Erdgeschoss und außerdem ein mit Bad bzw. Dusche und einer Küchenzeile ausgestatteter, ausgebauter Kellerraum, den die Vermieter zunächst vermietet hatten, später aber selbst als Besucher- und Arbeitszimmer sowie als Bügelraum nutzten. In diesem Fall hatte der BGH die Unanwendbarkeit des § 573a Abs.1 BGB folgendermaßen begründet:
Die Voraussetzungen des § 573a Abs.1 BGB lägen nicht vor, da sich in dem Wohnhaus drei Wohnungen befänden. Unter einer Wohnung werde ein selbstständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermögliche. Diese Voraussetzungen erfüllten die Kellerräume, die eine Einliegerwohnung darstellten. Die Kellerräume verlören ihre Eigenschaft als selbständige Wohnung auch nicht dadurch, dass die Vermieter die Räume in ihren Wohnbereich integriert hätten, indem sie die Einliegerwohnung als Besucherzimmer, Bügelzimmer und Arbeitszimmer nutzten. Denn durch diese Erweiterung des Wohnbereichs der Vermieter habe sich der einmal vorhandene Wohnungsbestand nicht reduziert. Da die Einliegerwohnung vom Einzug der Mieterin bis zum Ausspruch der Kündigung eine eigenständige Wohnung gewesen sei, seien die Voraussetzungen einer erleichterten Kündigung nach § 573a Abs.1 BGB zu keiner Zeit erfüllt gewesen.
Fazit:
Das AG Stuttgart räumt mit dem trotz der höchstrichterlichen Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2010 immer noch verbreiteten Irrglauben auf, der Vermieter käme in den Genuss der erleichterten Kündigungsmöglichkeit des § 573a Abs.1 BGB, wenn er neben der an den Mieter vermieteten Wohnung zwei weitere Wohnungen bewohnt und die eine in seinen Wohnbereich integriert hat. Durch die Bezugnahme auf das BGH – Urteil vom 17.11.2010 wird unmissverständlich klar, dass es für die Beantwortung der Frage, ob § 573a Abs.1 BGB anwendbar ist oder nicht, ausschließlich darauf ankommt, wie viele selbständige Wohnungen sich in dem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude befinden. Der Anwendungsbereich des § 573a Abs.1 BGB wird weder dadurch eröffnet, dass nur zwei verschiedene Parteien bzw. Haushaltsgemeinschaften den vorhandenen Wohnraum bewohnen noch dadurch, dass die Vermieter eine dritte Einliegerwohnung in ihren Hauptwohnbereich integrieren, sofern die Einliegerwohnung dadurch ihre Eigenschaft als selbständige Wohnung nicht verliert.
Schreiben Sie einen Kommentar