Als Beitrag zum Klimaschutz schaffen sich immer mehr Menschen ein E – Auto an. Diese Investition ist jedoch über den Anschaffungspreis hinaus mit dauerhaften nicht unerheblichen Kosten verbunden. Vor allem für das häufig erforderliche Aufladen des E – Autos müssen Inhaber eines E – Autos angesichts hoher Strompreise tief in die Tasche greifen. Da bleibt es nicht aus, dass so manch einer auf die Idee kommt, mit den Kosten für das Aufladen des E – Autos nicht die eigene, sondern eine fremde Stromrechnung zu belasten. Dass dies insbesondere dann, wenn ein Mieter eines Mehrfamilienhauses sich am Allgemeinstrom bedient, nicht ohne Konsequenzen bleibt, ist eine Selbstverständlichkeit. Dass der Stromklau jedoch nicht zwangsläufig zum Verlust der Mietwohnung führen muss, hat nun das AG Leverkusen deutlich gemacht.
Der Fall – Mieter zapfte Allgemeinstrom an
In dem Fall, über den das AG Leverkusen zu entscheiden hatte, luden die Mieter einer Wohnung, die sich in einem Mehrfamilienhaus befand, ihr Elektroauto mehrfach – mindestens 10 Mal – über eine Allgemeinstromstreckdose des Hauses auf, wodurch unbezifferte Mehrkosten für den verbrauchten Strom entstanden, welche über die Position „Allgemeinstrom“ in den Betriebskostenabrechnungen auf alle Mieter des Hauses umgelegt wurden. Das Gericht schätzte die entstandenen Mehrkosten unter Zugrundelegung von 10 Ladevorgängen auf einen Betrag zwischen 34,80 Euro und 42,00 Euro insgesamt.
Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis ohne vorherige Abmahnung fristlos, vorsorglich fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Nach diesem Zeitpunkt erfolgte keine Nutzung der Allgemeinsteckdose durch die Mieter mehr.
Da die Mieter die Kündigung für unwirksam hielten und daher die Wohnung nicht räumten, erhob der Vermieter Räumungsklage. Im Prozess räumten die Mieter ein, ihr E-Auto bis zu 10 Mal über den Allgemeinstrom aufgeladen zu haben. Sie bedauerten ihr Verhalten ausdrücklich und boten dem Vermieter an, die Mehrkosten für den Allgemeinstrom zu übernehmen. Zuletzt boten sie vergleichsweise eine Zahlung von pauschal 600,00 Euro an, um die Betriebskosten für die Mitmieter zu senken und den Hausfrieden wiederherzustellen.
Die Entscheidung – fristlose Kündigung ist nicht gerechtfertigt
Das Gericht stellte sich auf die Seite der Mieter und hielt sowohl die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung für unwirksam.
Unabhängig davon, dass es bereits an der gem. § 543 Abs.3 BGB erforderlichen vorherigen Abmahnung fehlte, die nach Ansicht des Gerichts auch nicht entbehrlich war, verneinte der zuständige Richter das Vorliegen eines zur fristlosen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes i. S. d. 543 Abs.1 i. V. m. § 569 Abs.2 BGB. Es fehle – so die Begründung –an einer Pflichtverletzung der Mieter bzw. einer Störung des Hausfriedens, die so schwerwiegend sei, dass dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne.
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Stromklau eine (fristlose) Kündigung rechtfertigen könne, sei in erster Linie die Höhe des dem Vermieter und / oder der Hausgemeinschaft durch den Stromdiebstahl entstandenen Schadens zu berücksichtigen. Für die Annahme eines Kündigungsgrundes sei es nach der Rechtsprechung zum Stromklau erforderlich, dass ein beträchtlicher Schaden entstanden sei. Dies könne bei einem Schaden, der – wie im vorliegenden Fall – unterhalb von EUR 50,00 liege, nicht angenommen werden.
Mit in den Abwägungsprozess bezog das Gericht außerdem zu Gunsten der Mieter ein, dass diese überkompensatorisch angeboten hatten, 600,00 EUR als pauschalen Schadensersatz zu leisten, obgleich ein derart hoher Schaden weder plausibel war noch im konkreten Fall nachgewiesen werden konnte. Außerdem kam aus Sicht des Gerichts für die Mieter entlastend hinzu, dass diese von Anfang an die unbefugte Stromentnahme eingeräumt, sich entschuldigt und Wiedergutmachung angeboten hatten. Nicht zuletzt wirkte sich für das Gericht auch entscheidend zu Gunsten der Mieter aus, dass es unstreitig nach der Kündigung zu keiner weiteren Stromentnahme gekommen war.
Das Gericht sah durch das Angebot der Schadenswiedergutmachung und das weitere Verhalten der Mieter nach der Kündigung den Hausfrieden aus Sicht der Mitmieter als in vollem Umfang wiederhergestellt an. Auch zur Beschwichtigung der anderen Mieter sei eine Kündigung nicht erforderlich gewesen, zumal diese mit ihren Beschwerden neben einer Schadenswiedergutmachung lediglich verlangt hätten, die unerlaubte Stromentnahme solle untersagt und für die Zukunft unterbunden werden. Eine Kündigung sei von keinem der anderen Mieter jemals gefordert worden.
Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche fristgerechte Kündigung hielt das Gericht für unwirksam. Angesichts der Geringfügigkeit des Schadens, der Bereitschaft der Mieter zur Wiedergutmachung und der fehlenden Wiederholungsgefahr, fehle es an der für eine ordentliche fristgerechte Kündigung gem. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB erforderlichen Erheblichkeit der Pflichtverletzung.
Fazit
Die Entscheidung des AG Leverkusen zeigt deutlich, dass bei der Beantwortung der Frage, ob ein Stromklau eine Kündigung rechtfertigt, stets auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen ist und keine allgemeingültige Aussage darüber möglich ist, ob eine unberechtigte Entnahme von Hausstrom zur Kündigung führen kann. Entscheidende Faktoren hierbei sind nach Auffassung des Gerichts die Höhe des Schadens, die Bereitschaft zur Wiedergutmachung sowie das Bestehen oder Nichtbestehen einer Wiederholungsgefahr. Im konkreten Fall wurde die erforderliche Schwere der Pflichtverletzung zwar verneint. Mieter sollten sich aber nicht in Sicherheit wiegen und nicht dem Irrglauben unterliegen, sie könnten, ohne den Verlust der Wohnung fürchten zu müssen, den Allgemeinstrom anzapfen.
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