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Bohren am Abend – Was dürfen Mieter?

Die Mehrheit aller Mieter in Deutschland gehört zum berufstätigen Teil der Bevölkerung. Da verwundert es nicht, dass nicht nur die alltägliche Hausarbeit, wie z.B. Wäschewaschen und Geschirrspülen, sondern auch solche Arbeiten, die nur in größeren Abständen erfolgen, wie z.B. Möbel aufbauen oder Bilder aufhängen, von vielen Mietern in den Abendstunden vorgenommen werden. Solange von der Tätigkeit des Mieters kein Lärm ausgeht, der in die umliegenden Wohnungen dringt, gibt es keine Probleme. Nimmt der Mieter jedoch den Bohrer zur Hand, um z. B. Löcher in die Wand zu bohren oder Möbel zusammenzusetzen, sieht es schon ganz anders aus. Der hiervon ausgehende Lärm überträgt sich oft eins zu eins in die umliegenden Wohnungen und kann deren Bewohner, die ihren Feierabend genießen möchten, in den Wahnsinn treiben. Aus diesem Grund kommt es nicht selten zum Streit zwischen Mietern eines Mehrfamilienhauses über die Zulässigkeit des abendlichen Bohrens, in den oft auch der Vermieter mit hineingezogen wird. Dieser Streit ist in vielen Fällen vermeidbar, denn oft gibt es eine eindeutige Regelung, wann Ruhestörungen erlaubt sind.

Dieser Beitrag erklärt, ob und ggf. wann Bohren am Abend zulässig ist, welche Rechte den beeinträchtigten Nachbarn zustehen und mit welchen Konsequenzen der störende Mieter rechnen muss.

I. Ob und wann Bohren am Abend zulässig ist, regelt die Hausordnung oder der Mietvertrag

Wer in den Gesetzesbüchern blättert, um eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit des Bohrens am Abend in einer Mietwohnung zu finden, sucht vergeblich. Eine entsprechende Bestimmung gibt es nicht. Auch die 32. BImSchV hilft dem sich in seiner Ruhe gestörten Mieter nicht weiter. Deren § 7 Abs.1 Nr.1 i. V. m. Zf. 17 der Anlage zur 32. BImSchV verbietet nämlich nur das Bohren im Freien zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten.

Dass es eine gesetzliche Regelung nicht gibt, die festlegt, wann in einer Mietwohnung gebohrt werden darf, bedeutet jedoch keinesfalls, dass der Mieter dies zu jeder beliebigen Zeit tun darf. In manchen Fällen enthält sogar der Mietvertrag selbst eine entsprechende Regelung. Ist dies nicht der Fall, gibt es für den ganz großen Teil der Mehrfamilienhäuser jedoch in der Regel eine Hausordnung, die regelt, wann Ruhestörungen erlaubt sind und wann nicht. Verbindliche Vorgaben, in welchen Zeiträumen der Mieter durch eine Hausordnung vor Lärmbelästigungen geschützt bzw. ihm Handlungsfreiheit eingeräumt werden muss, gibt es nicht. Die Länge und insbesondere auch der Beginn der Ruhezeiten variiert daher von Hausordnung zu Hausordnung. Die Spanne für den Beginn der Ruhezeit am Abend reicht von 19 Uhr in besonders strengen bis 22 Uhr in weniger strengen Hausordnungen. In manchen Hausordnungen wird auch differenziert zwischen der absoluten Nachtruhe, in der unbedingte Ruhe zu herrschen hat und die in der Regel um 22 Uhr beginnt, und einer der Nachtruhe vorgelagerten Zeitspanne, in der zwar Geräusche zulässig sind, aber solche Lärmbelästigungen zu unterbleiben haben, die – wozu auch der vom Bohren ausgehende Lärm gehört- durch handwerkliche Tätigkeiten oder den Betrieb von Haushalsgeräten verursacht werden.

Beachte:

In den meisten Hausordnungen ist das Bohren am Sonntag ganztägig verboten. Am Samstag beginnt die Nachtruhe in vielen Fällen früher als montags bis freitags. 

Tipp für Mieter:

Bevor der Mieter in seiner Mietwohnung bohrt oder sich über die Ruhestörung seines Nachbarn beschwert, sollte er eine Blick in die Hausordnung werfen. Hierdurch lässt sich viel Streit vermeiden.

Viele Mieter sind der Ansicht, im Falle eines Umzuges gelte eine Ausnahme, so dass sie berechtigt seien, auch innerhalb der Ruhezeiten zu bohren. Rein rechtlich betrachtet trifft dies jedoch nicht zu. Auch bei einem Umzug muss der Mieter grds. die Ruhezeiten einhalten. Dennoch haben die meisten Nachbarn in einer solchen Situation Verständnis und beschweren sich nicht. Der Mieter tut aber gut daran, seinen (künftigen) Nachbarn vorher Bescheid zu sagen und um Verständnis zu werben. Geschieht dies, gibt es in der Regel keine Probleme.

II. Verstoß gegen die Hausordnung durch Bohren am Abend – Diese Rechte hat der Vermieter

Bohrt ein Mieter während der Ruhezeit und beschwert sich ein Nachbar bei dessen Vermieter, erhält der Mieter in der Regel zunächst einmal eine Abmahnung von seinem Vermieter und wird von diesem auf Unterlassung in Anspruch genommen (vgl. § 541 BGB). 

Kommt es zu weiteren einschlägigen Verstößen, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob dem Vermieter ein Kündigungsrecht zusteht, und zwar entweder ein Recht zur ordentlichen fristgerechten Kündigung gem. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB oder zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. §§ 543 Abs.1, 569 Abs.2 BGB. Eine ordentliche Kündigung gem. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB ist möglich, wenn ein schuldhaftes Handeln des Mieters vorliegt und seine Pflichtverletzung als nicht unerheblich eingestuft werden kann. Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist es gem. §§ 543 Abs.1, 569 Abs.2 BGB, dass der Mieter durch das Bohren den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Vermieter nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. 

Unabhängig vom Fortbestand des Mietverhältnisses muss der Mieter damit rechnen, dass ihn sein Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Dem Vermieter kann nämlich dann ein Schaden entstehen, wenn ein anderer Mieter einer umliegenden Wohnung, mit dem er ebenfalls in einer mietvertraglichen Beziehung steht, wegen der Lärmbelästigung zu Recht gem. § 536 BGB die Miete mindert. Den durch die Mieteinbuße entstandenen Schaden muss der störende Mieter dem Vermieter gem. § 280 BGB ersetzen.

III. Nachbar fühlt sich gestört – Was kann er tun?

Auch wenn das störende Bohren eines Mieters oft Ärger für den Vermieter bedeutet, sind es in erster Linie die Mieter der umliegenden Wohnungen, die durch das Bohren beeinträchtigt werden. Sie möchten, dass das Bohren unterbleibt und ihr Recht möglichst schnell und direkt gegenüber dem Mieter geltend machen. Auch wenn zwischen den einzelnen Mietern eines Mehrfamilienhauses keine vertraglichen Beziehungen bestehen, steht dem Mieter einer umliegenden Wohnung ein Besitzschutzanspruch zu, den er unmittelbar gegenüber dem bohrenden Mieter geltend machen kann. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 862 BGB. Gem. § 862 Abs.1 BGB kann ein Besitzer, der durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz gestört wird, von dem Störer die Beseitigung der Störung und wenn weitere Störungen zu besorgen sind, Unterlassung in der Zukunft verlangen. Als verbotene Eigenmacht bezeichnet das Gesetz eine Besitzstörung, die nicht gesetzlich gestattet, also widerrechtlich ist (vgl. § 858 Abs.1 BGB). Eine Besitzstörung liegt nicht nur dann vor, wenn dem Besitzer der Besitz entzogen wird. Wie das LG Berlin mit Beschluss vom 16.09.2014 – 65 T 224/14- ausführt, stellt im Bereich des Wohnraummietrechts insb. auch eine Lärmbelästigung eine Besitzstörung i. S. d. § 862 BGB dar. Allerdings löst nicht jede Beeinträchtigung des Besitzes den Anspruch aus § 862 BGB aus. Anerkannt ist, dass unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 906 BGB nur erhebliche Beeinträchtigungen der Besitzausübung Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den §§ 858ff. BGB auslösen können, während unerhebliche Beeinträchtigungen des Gebrauchs hinzunehmen sind (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 16.09.2014 – 65 T 224/14). Die Intensität der Störung im konkreten Einzelfall ist daher für das Bestehen des Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruchs entscheidend.

Möchte der sich gestört fühlende Nachbar seine Rechte nicht unmittelbar gegenüber dem störenden Mieter geltend machen oder bleibt ein entsprechender Versuch erfolglos, kann er sich auch an seinen Vermieter wenden. Diesem gegenüber hat der Nachbar, der sich durch das Bohren gestört fühlt, nämlich unterschiedliche Ansprüche.

Zunächst beinhaltet die sich aus § 535 Abs.1 S.2 BGB ergebende Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, auch die Pflicht zur Unterlassung und Abwehr von Störungen. Der Vermieter ist verpflichtet, Lärm– und sonstige Immissionen, die durch Dritte auf den Mietgebrauch einwirken, abzuwenden, soweit ihm dies möglich ist (vgl. LG Berlin Urteil vom 11.01.1993 – 66 S 114/92). Das bedeutet, dass der Vermieter dem durch das Bohren in seinem Mietgebrauch beeinträchtigten Mieter gegenüber verpflichtet ist, gegenüber dem störenden Dritten ggf. einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch geltend zu machen. Ist der Vermieter nicht zugleich auch Vermieter des störenden Mieters, stehen ihm diesem gegenüber nur außervertragliche Ansprüche wegen Störung seines (mittelbaren) Besitzes bzw. seines Eigentums nach den §§ 862, 869, 906, 1004 BGB zu. Handelt es sich bei dem Störer hingegen ebenfalls um einen seiner Mieter, kann der Vermieter von ihm Unterlassung nach § 541 BGB verlangen und in besonders schweren Fällen das Mietverhältnis kündigen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 11.01.1993 – 66 S 114/92- sowie die Ausführungen oben unter II.). 

Der beeinträchtigte Mieter kann von seinem Vermieter gem. § 535 Abs.1 S.2 BGB verlangen, dass dieser seine Ansprüche gegen den Störer auch geltend macht.

Wie bereits unter II. angedeutet, steht dem beeinträchtigten Mieter ggf. ein Recht zu, die Miete gem. § 536 BGB zu mindern, und zwar dann, wenn durch das Bohren die Tauglichkeit seiner Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, er dem Vermieter den in der Ruhestörung liegenden Mangel angezeigt hat (vgl. § 536c Abs.1 S.1, Abs. S.2 Nr.1 BGB) oder die Anzeige entbehrlich war und kein sonstiger Ausschlussgrund vorliegt.

Alles Wissenswerte zur Mietminderung im Falle einer Lärmbelästigung durch den Nachbarn können Sie in unserem Beitrag: „Mietminderung: Lärmbelästigung durch Nachbarn“ nachlesen.

Anders als bei anderen Lärmimmissionen, wie z. B. solchen, die von alltäglichen Haushaltsgeräten, wie Staubsauger oder Waschmaschine ausgehen oder durch Unterhaltungselektronik verursacht werden und in der Regel kontinuierlich auftreten, kommt ein Bohrer grds. nur sporadisch zum Einsatz. Die Intensität der Beeinträchtigung für die Mieter der umliegenden Wohnungen ist daher – zumindest was die Häufigkeit der Störungen anbelangtgeringer, so dass diesen nur im Ausnahmefall ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zusteht. Gem. § 543 Abs.2 S.1 Nr.1 BGB liegt ein wichtiger Grund, der den Mieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, zwar insbesondere dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Ein solcher teilweiser Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs liegt auch vor, wenn es zu Ruhestörungen kommt. Allerdings ergibt sich hieraus nur dann ein wichtiger Grund i. S. d. § 543 Abs.2 S.1 Nr.1 BGB, der zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, wenn die Störung des Mietgebrauchs erheblich ist (vgl. KG, Urteil vom 28.04.2008 – 8 U 209/07). Ob dies der Fall ist, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden.

Im Blick haben sollte der Mieter, der durch das Bohren beeinträchtigt ist, außerdem, dass ihm unter Umständen auch ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Vermieter zusteht. Kündigt der Mieter, weil ihm ausnahmsweise ein Kündigungsrecht wegen der Ruhestörung zusteht, kann er unter bestimmten Voraussetzungen den sog. Kündigungsfolgeschaden von seinem Vermieter ersetzt verlangen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist diejenige Mietvertragspartei, die durch eine von ihr zu vertretende Vertragsverletzung die andere Partei zu einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags veranlasst hat, dieser Partei nämlich zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens (Kündigungsfolgeschaden) verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15). Voraussetzung für den Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens ist allerdings, dass der Vermieter die Störungen zu vertreten hat, was der Fall ist, wenn er schuldhaft nicht alles ihm (rechtlich) Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um zu erreichen, dass die Ruhestörungen in Zukunft unterbleiben. Ist dies der Fall und hat der Mieter das Mietverhältnis deswegen wirksam gekündigt, umfasst der ihm zu ersetzende Kündigungsfolgeschaden insbesondere auch die notwendigen Umzugskosten (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15).

IV. Fazit und Zusammenfassung

1. Ob und wann in einem Mehrfamilienhaus am Abend gebohrt werden darf, ist nicht gesetzlich geregelt.

2. In der Regel gibt es jedoch eine Hausordnung, die Ruhezeiten festlegt, innerhalb derer das Bohren nicht zulässig ist.

3. Der abendliche Beginn dieser Ruhezeiten variiert von Hausordnung zu Hausordnung. Die Spanne für den Beginn der Ruhezeit am Abend reicht von 19 Uhr bis 22 Uhr. Sonntags ist das Bohren durch die Hausordnung in der Regel ganztägig verboten.

4. Bohrt der Mieter während der Ruhezeit, muss er damit rechnen, dass sein Vermieter

  • ihn abmahnt,
  • von ihm Unterlassung verlangt,
  • ihn auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, wenn andere Mieter zu Recht die Miete gemindert haben,
  • ihm kündigt, was jedoch nur im Ausnahmefall möglich ist.

5. Der durch das Bohren beeinträchtigte Mieter kann

  • von dem störenden Mieter Unterlassung verlangen,
  • von seinem Vermieter verlangen, dass dieser die ihm selbst zustehenden Unterlassungsansprüche gegen den störenden Mieter geltend macht und alles ihm (rechtlich) Mögliche und Zumutbare unternimmt, um zu erreichen, dass die Ruhestörungen in Zukunft unterbleiben,
  • die Miete mindern, wenn durch das Bohren die Tauglichkeit seiner Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, er dem Vermieter die Ruhestörung angezeigt hat oder die Anzeige entbehrlich war und kein sonstiger Ausschlussgrund vorliegt,
  • das Mietverhältnis außerordentlich fristlos kündigen, wenn die Störung des Mietgebrauchs ein erhebliches Ausmaß annimmt,
  • von seinem Vermieter (im Falle einer berechtigten Kündigung) Ersatz des Kündigungsfolgeschadens verlangen, der insb. den Ersatz der notwendigen Umzugskosten beinhaltet.

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