Go to Top

Eigenbedarf für teilweise berufliche Zwecke (BGH, Urteil vom 10.04.2024 – VIII ZR 286/22)

Immer wieder kommt es vor, dass Vermieter ein Wohnraummietverhältnis kündigen, um die Wohnung nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zu geschäftlichen Zecken zu nutzen. So war es auch in dem der Entscheidung des BGH vom 10.04.2024 VIII ZR 286/22- zu Grunde liegenden Fall, in dem der Vermieter gegenüber dem Mieter eine Kündigung aussprach, um die Wohnung überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer Teilzeitkraft sowie eventuell mit Berufskollegen zu nutzen und dort auch seinen Wohnsitz zu begründen.

Nutzungsabsicht zu beruflichen Zwecken kann ein berechtigtes Interesse darstellen

Der BGH folgte in seiner Entscheidung zwar den Ausführungen der Vorinstanz, wonach eine auf § 573 Abs.2 Nr.2 BGB gestützte Eigenbedarfskündigung unwirksam sei, wenn der Vermieter die Wohnung überwiegend zu beruflichen Zwecken nutzen wolle.

Dies schließe – so der BGH – die Wirksamkeit der Kündigung jedoch nicht aus, da sich eine Kündigungsmöglichkeit in einem derartigen Fall aus dem generalklauselartigen Kündigungstatbestand des § 573 Abs.1 S.1 BGB ergeben könne, wonach der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich fristgerecht kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.

Beabsichtige der Vermieter, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer (frei-)beruflichen Tätigkeit nachzugehen (hier: Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei), reiche es – so der BGH – für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs.1 S. 1 BGB regelmäßig aus, dass ihm bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter bzw. anerkennenswerter Nachteil entstünde.

Da das Bestehen eines berechtigten Interesses im Rahmen des generalklauselartigen Kündigungstatbestands des § 573 Abs.1 S.1 BGB – anders als bei den in § 573 Abs.2 BGB beispielhaft genannten Kündigungsgründen – von den Gerichten aufgrund einer einzelfallbezogenen Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien festzustellen sei, die der BGH diese nicht vornehmen konnte, beließ er es zwar bei der allgemeinen Feststellung der Zulässigkeit einer Kündigung zu dem Zweck, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer (frei-)beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit nachzugehen, und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Der BGH machte jedoch grundsätzliche Ausführungen dazu, was bei der Vornahme dieser Abwägung im Einzelnen zu berücksichtigen sei. Zusammenfassend kommt der BGH in seiner Entscheidung vom 10.04.2024 zu dem Schluss, dass dem Erlangungsinteresse des Vermieters in solchen Fällen regelmäßig dann der Vorzug vor dem Bestandsinteresse des Mieters zu geben sei, wenn der ernsthaft verfolgte Nutzungswunsch des Vermieters von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen sei und dem Vermieter bei einem ihm verwehrten Bezug der Mieträume ein nach den Umständen des Falles anerkennenswerter Nachteil entstünde. Dies dürfte – so der BGH – bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen beruhenden Lebens- und Berufsplanung des Vermieters aufgrund lebensnaher Betrachtung häufig der Fall sein. Höhere Anforderungen würden allerdings dann zu stellen sein, wenn die Nutzung zu Wohnzwecken einen völlig untergeordneten Raum einnähme.

Kündigungssperrfrist ist nicht anwendbar

Der BGH stellte in seiner Entscheidung vom 10.04.2024 außerdem noch einmal klar, dass die Kündigungssperrfrist des § 577a BGB, wonach der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis erst nach Ablauf von drei, ggf. sogar erst nach Ablauf von zehn Jahren ordentlich fristgerecht kündigen kann, wenn an dem vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist, bei einer auf den generalklauselartigen Kündigungstatbestand des § 573 Abs.1 S.1 BGB gestützten Kündigung nicht zur Anwendung kommt. Der Anwendungsbereich der Kündigungssperrfrist des § 577a BGB sei vielmehr auf die Eigenbedarfskündigung  nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und die Kündigung wegen anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB beschränkt.

Kündigung muss keinen Kündigungstermin enthalten

Schließlich betonte das Gericht, dass weder die unzutreffende noch die gänzlich fehlende Angabe des Beendigungszeitpunkts (des Kündigungstermins) im Kündigungsschreiben zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen müsse. Ausreichend sei es, dass es dem erkennbaren (hypothetischen) Willen des Vermieters entspreche, dass die Kündigung das Mietverhältnis mit Ablauf der (gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten) Kündigungsfrist zum nächsten zulässigen Termin beendet. Dies gelte nicht nur dann, wenn in der Kündigungserklärung kein Kündigungstermin angegeben sei, sondern in gleicher Weise, wenn der Vermieter in der Kündigungserklärung einen zu frühen Kündigungstermin angibt, sofern der (unbedingte) Wille des Vermieters erkennbar sei, das Mietverhältnis auf jeden Fall zu beenden.

Fazit: Der BGH bleibt bei seiner Linie, bei Vermieterkündigungen aus Selbstnutzungsabsicht großzügig im Sinne des Vermieters zu entscheiden, schiebt jedoch solchen Kündigungen, die zu dem Zweck einer ausschließlichen Nutzung des Wohnraums zu beruflichen Zwecken erfolgen, einen Riegel vor.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hier können Sie kostenlose Kommentare hinterlassen. Für eine verbindliche Auskunft können Sie hier anwaltlichen Rat einholen.