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Ausschluss der Eigenbedarfskündigung bindet auch Käufer (LG Berlin II, Urteil vom 16.05.2024 – 64 S 198/22)

Eigenbedarf an der vermieteten Wohnung ist einer der häufigsten Kündigungsgründe, den Vermieter für eine ordentliche fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses angeben. Viele Mieter leben in der ständigen Angst, mit einer solchen Kündigung konfrontiert zu werden. Die Gefahr, wegen Eigenbedarfs des Vermieters die Wohnung räumen zu müssen, ist besonders groß, wenn die Wohnung während der Mietzeit veräußert wird und der Käufer die Wohnung erwirbt, um selbst dort einzuziehen. Umso glücklicher können sich solche Mieter schätzen, in deren Mietvertrag sich ein vertraglicher Ausschluss des Rechts des Vermieters zur Eigenbedarfskündigung befindet. Denn hierdurch werden sie auch gegenüber dem Erwerber gegen eine Eigenbedarfskündigung geschützt. So entschied es jüngst auch das LG Berlin II mit Urteil vom 16.05.2024.

Der Fall: Erwerber der Wohnung kündigte wegen Eigenbedarfs

In dem Fall, der dem LG Berlin II zur Entscheidung vorlag, hatten die ursprüngliche Vermieterin und die Mieter in einer Ergänzung zum bereits vorher abgeschlossenen Mietvertrag einen Ausschluss des Rechts des Vermieters, wegen Eigenbedarfs zu kündigen, vereinbart. Zwischen der Unterzeichnung dieser Ergänzungsvereinbarung durch die Mieter und der Unterzeichnung durch die ursprüngliche Vermieterin lagen ca. 6 Wochen. Nachdem die ursprüngliche Vermieterin die Wohnung veräußert hatte, sprach die Erwerberin und neue Vermieterin gegenüber den Mietern eine Eigenbedarfskündigung aus. Sie war der Ansicht, der zwischen der ursprünglichen Vermieterin und den Mietern vereinbarte Ausschluss des Rechts zur Eigenbedarfskündigung sei in Anbetracht des großen zeitlichen Abstandes zwischen den Unterschriftsleistungen der Mieter und der Unterzeichnung durch ihre Rechtsvorgängerin nicht wirksam. Zumindest sei sie an diesen Kündigungsausschluss nicht gebunden, da es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handele. Die Mieter sahen dies anders und räumten die Wohnung nicht, weshalb die neue Vermieterin Räumungsklage erhob.

Die Entscheidung: Vermieterin war an den wirksamen Kündigungsausschluss gebunden

Die Räumungsklage hatte sowohl beim AG Berlin – Charlottenburg als auch beim LG Berlin II keinen Erfolg. Das LG Berlin II wies die von der Vermieterin eingelegte Berufung zurück. Das LG Berlin II hielt den Kündigungsausschluss nicht nur für wirksam, sondern sah auch keinen Anlass, die Bindungswirkung für die neue Vermieterin zu verneinen.

Zur Begründung führte das Gericht aus, der Wirksamkeit der Ergänzungsabrede über den Ausschluss des Rechts zur Eigenbedarfskündigung stehe insbesondere nicht entgegen, dass die Daten der Unterschriftsleistung auf der Vertragsurkunde sechs Wochen auseinanderlägen. Da die Vermieterin nicht in Abrede gestellt habe, dass die Mieter das Angebot der ursprünglichen Vermieterin auf Abschluss der Ergänzungsvereinbarung angenommen, die Vertragsurkunde unterzeichnet und diese zurückgesandt hätten, welche daraufhin von der ursprünglichen Vermieterin unterzeichnet und den Mietern zu ihren Unterlagen zurückgesandt worden sei, komme es auf die umstrittene Frage des Datums der jeweiligen Unterschriftsleistung nicht an.

Für die Wirksamkeit der Vertragsergänzungsabrede bzw. die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Annahme eines Angebots auf Abschluss einer – formbedürftigen – Mietvertragsergänzung nach § 147 Abs.2 BGB komme es nämlich nicht auf die Unterschriftsleistung der Vertragsparteien auf der Vertragsurkunde an.

Denn von der Einhaltung der äußeren Form zur Wahrung des Schriftformerfordernisses gemäß §§ 550, 126 BGB zu trennen sei die Frage, ob der Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform wirksam zu Stande gekommen sei. Dies richte sich nach den allgemeinen Regeln über den Abschluss von Verträgen, §§ 145 ff., 130 BGB.


Exkurs zum besseren Verständnis:

§ 147 Abs.2 BGB bestimmt, dass der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Der vom Gericht außerdem zitierte § 550 S.1 BGB besagt, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr gelten soll und nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde, als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dieses Schriftformerfordernis gilt nicht nur für den ursprünglichen Mietvertrag, sondern auch für Ergänzungsabreden mit wesentlichem Vertragsinhalt (vgl. KG, Urteil vom 28. 02. 2005 – 12 U 74/03). Die Rechtsfolge im Falle der Missachtung des Formerfordernisses besteht allerdings nicht darin, dass der Mietvertrag bzw. die Ergänzungsabrede unwirksam sind. Die Schriftform ist lediglich Voraussetzung für eine über ein Jahr hinausgehende Befristung. Wird die Schriftform nicht gewahrt, hat dies gem. § 550 S.1 BGB zur Folge, dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt mit der entscheidenden Konsequenz, dass das Mietverhältnis vom Vermieter unter den Voraussetzungen des § 573 BGB und vom Mieter ohne Grund mit der Frist des § 573c Abs.1 BGB ordentlich fristgerecht gekündigt werden kann. Da durch § 550 BGB allerdings nur eine nicht schriftlich fixierte Befristung von über einem Jahr verhindert werden soll, bestimmt § 550 S.2 BGB, dass die ordentliche Kündigung frühestens zum Ablauf eines Jahres seit der vertragsgemäßen Überlassung der Wohnung (dem Vertragsbeginn) möglich ist.

§ 550 BGB setze – so das LG Berlin II weiter – über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht voraus, dass der Vertrag durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zu Stande gekommen sei. Vielmehr genüge ein Mietvertrag bzw. eine Ergänzungsvereinbarung auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er bzw. sie inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur konkludent abgeschlossen worden sei. Dies sei im konkreten Fall geschehen.

Auch die Ansicht der Klägerin, es handele sich bei der Mietvertragsergänzungsabrede um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter, teilte das LG Berlin II nicht. Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liege nur dann vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle. Dies sei im konkreten Fall nicht geschehen, denn die Mietvertragsergänzungsvereinbarung begründe lediglich vertragliche Pflichten der damaligen Mietvertragsparteien. Der Umstand, dass die Erwerberin nach dem Eigentumsübergang gem. § 566 BGB anstelle der früheren Vermieterin in deren Rechtsstellung einrücke, ändere hieran nichts. Die Rechte und Pflichten der Erwerberin ergäben sich erst auf Grund der Rechtsnachfolge nach § 566 BGB und nicht unmittelbar durch die vertragliche Regelung.

Fazit:

Dass das Recht des Vermieters, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, vertraglich ausgeschlossen werden kann, der Verzicht aber gem. 550 S. 1 BGB der Schriftform bedarf, wenn der Verzicht für mehr als ein Jahr gelten soll, war bereits vor dem Urteil des LG Berlin II vom 16.05.2024 höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2007 – VIII ZR 223/06). Das LG Berlin II stellt nun zusätzlich klar, dass ein solcher Ausschluss auch einen Erwerber der Wohnung bindet, sofern die Form gewahrt ist. Dabei betont das Gericht, dass das Formerfordernis auch nachträglich erfüllt werden kann, nachdem die Vereinbarung bereits formlos zustande gekommen ist.

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