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Eigenbedarf für Großeltern (Oma / Opa) anmelden

Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass Oma oder Opa zuhause alt und von ihren Kindern oder Enkeln gepflegt wurden. Wer auch heute noch auf eine solche günstige Situation zurückgreifen kann, steht oft vor dem Problem, dass einfach nicht genug Platz vorhanden ist und die Enkel die Wohnung vielleicht für die eigenen Kinder benötigen.

Um die Großeltern nicht ins Pflegeheim abschieben zu müssen, bleibt als weitere Möglichkeit, eine vermietete Wohnung zu kündigen und gegenüber dem Mieter Eigenbedarf geltend zu machen. Eigenbedarf zählt als ein berechtigtes Interesse, das über dem sozialen Schutz des Mieters steht, aber auch nur dann, wenn die dafür maßgeblichen Voraussetzungen beachtet werden. Die Missachtung oder Unkenntnis dieser Gegebenheiten macht manch eine Eigenbedarfskündigung zunichte.

1. Prämissen einer Eigenbedarfskündigung

1.1. Allgemeine Aspekte

Um die Aussichten einer Eigenbedarfskündigung zu beurteilen, muss man wissen, dass das Bundesverfassungsgericht (WuM 2004, 80) darauf verweist, dass das „Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung dem Eigentum des Eigentümers und Vermieters im Sinne des Art. 14 Grundgesetz“ gleichwertig gegenübersteht. Allein der Wunsch des Vermieters, in den „eigenen vier Wänden“ wohnen oder diese für private Zwecke nutzen zu wollen, genügt somit nicht.

Da der Mieter in seiner gemieteten Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründet und dafür einen organisatorischen und kostenträchtigen Aufwand betreibt, soll er vor einer willkürlichen Veränderung seiner Lebensumstände geschützt werden. Daher kann der Mieter der Kündigung widersprechen. Im Gerichtsverfahren muss das Gericht das Bestandsinteresse des Mieters, in seiner Wohnung verbleien zu dürfen, berücksichtigen.

Daher müssen die für den Eigenbedarf angeführten Gründe des Vermieters vernünftig und nachvollziehbar sein. Allerdings dürfen ihm fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen oder seine weitere Lebensplanung nicht aufgedrängt werden dürfen.

1.2. Großeltern gehören zum begünstigten Personenkreises

Das Gesetz erkennt Eigenbedarf nur für einen bestimmten begünstigten Personenkreis man. Dies sind neben dem Vermieter selbst dessen Familienangehörige und Haushaltsangehörige. Zu den Familienangehörigen gehören vornehmlich die Verwandten in gerader Linie, also direkt voneinander abstammenden Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel und Urenkel. Insoweit ist es problemlos, für die eigenen Großeltern Eigenbedarf anzumelden.

Es kommt es nicht darauf an, ob die Eltern noch in der eigenen Wohnung oder in der Wohnung des Enkels leben.

Sind mehrere Personen Vermieter (Ehepaar), reicht der Eigenbedarf bei einem von ihnen aus (BGH NJW 2007, 2845). Dies kann auch bei einer Erbengemeinschaft der Fall sein, bei der ein Miterbe Eigenbedarf für ein Großelternteil geltend macht.

Will der Vermieter die Wohnung zur Pflege der Großeltern kündigen, muss er dem Mieter darlegen, um welches Familienmitglied (Oma, Opa, Großeltern) es sich handelt. Die allgemeine Angabe, die Kündigung sei familiär bedingt, genügt nicht (LG Hamburg WuM 1988, 111).

Zu beachten ist, dass die Großeltern der Lebensgefährtin oder des Lebensgefährten nicht begünstigt sind (LG Hamburg WuM 1997, 177). Hier kann auch nicht mit einer moralischen Verpflichtung zur Pflege argumentiert werden, da kein Verwandtschaftsverhältnis besteht.

1.3. Vermieter muss seinen Nutzungswillen bekunden

Der Vermieter muss tatsächlich beabsichtigen, die Wohnung für die Pflege der Großeltern oder eines Großelternteils zu nutzen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, liegt ein vorgetäuschter Eigenbedarf vor. Soweit sich die tatsächliche Situation nach der Kündigung offenbart, ist der Vermieter gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig und muss ihm die umzugsbedingten Umzugskosten und Maklergebühren erstatten.

1.4. Vermieter muss ein berechtigtes Nutzungsinteresse darlegen

Der Vermieter braucht vernünftige und nachvollziehbare Gründe, dass er die Wohnung für die Großeltern oder ein Großelternteil nutzen möchte. Die Pflege der eigenen Großeltern erfüllt diese Voraussetzung problemlos. Aber auch hier kommt es auf die Situation an.

a. Eigenbedarfskündigung darf nicht rechtsmissbräuchlich sein

So kann die Eigenbedarfskündigung durchaus rechtsmissbräuchlich sein. Will der Vermieter den im 3. Stock auf 62 m² (2 Zimmer, Küche, Bad) wohnenden Mieter kündigen, um seine 78–jährige gehbehinderte (Groß)mutter unterzubringen, obwohl im gleichen Haus im 2. Stock eine 66 m²große 3-Zimmerwohnung mit Küche und Dusche freisteht, handelt er willkürlich und rechtsmissbräuchlich (BVerfG WuM 1989, 114).

Der Vermieter muss sich aber nur auf die leerstehende Wohnung verweisen lassen, wenn sie mit der zu kündigenden Wohnung vergleichbar ist. Vergleichbar ist die Wohnung, wenn der Vermieter den von ihm benötigten Wohnbedarf gleichermaßen befriedigen kann und die Wohnung nach Größe, Lage und Zuschnitt gleichfalls geeignet ist wie die gekündigte Wohnung.

Problematisch erweisen sich Fälle, in denen der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht erscheint. Im Pflegefall der Großeltern könnte sich eine solche Situation ergeben, wenn ein Großelternteil oder die Großeltern bettlägerig sind und in einer 5-Zimmerwohnung faktisch nur ein Zimmer bewohnen und die Größe der Wohnung überhaupt nicht ausnutzen können.

Auch eine „Kündigung auf Vorrat“ wäre rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter noch nicht absehen kann, wann er die Mietwohnung zur Pflege seiner Großeltern tatsächlich benötigt (LG München WuM 1992, 612).

b. Eigenbedarfskündigung darf nicht treuwidrig sein

Der Vermieter verhält sich treuwidrig, wenn er seinen Eigenbedarf bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorlag oder vorhersehen konnte(BVerfG WuM 1989, 114; OLG München WuM 2009, 358). Kann der Mieter die Pflegebedürftigkeit der Großeltern voraussehen, muss er den Mieter informieren und muss ggf. einen zeitlich befristeten Mietvertrag abschließen (BGH WuM 2010, 512).

Dabei ist die Kündigung nicht treuwidrig, wenn zwischen Vertragsabschluss und Kündigung 3 Jahre liegen. Nur für diesen Zeitraum braucht der Vermieter die voraussichtliche Entwicklung vorherzusehen (BGH Urt.v. 20.3.2013, VIII ZR 233/12); BVerfG WuM 1989, 114).

Ist die Pflege der Großeltern altersbedingt zeitlich befristet einzuschätzen, ist die Kündigung umso eher als vernünftig und nachvollziehbar zu bewerten, je länger die beabsichtigte Nutzung zu erwarten ist. Bei einer auf mehrere Jahre angelegten Nutzung ist dies ohne weiteres zu begründen. Es gibt aber keine festen Zeitgrenzen. Soll die Wohnung für einen kürzeren Zeitraum genutzt werden, muss die Kündigung besonders begründet werden. Geht es um die Pflege der Großeltern, erhöht sich das Kündigungsinteresse mit der Dauer der zu erwartenden Pflege.

c. Eigenbedarfskündigung darf nicht vernunftwidrig sein

Offensichtlich unrealistische oder unvernünftige Vorstellungen machen eine Eigenbedarfskündigung unzulässig. Will der Vermieter seine 75-jährige gehbehinderte Oma oder Mutter im fünften Stock eines Wohnhauses ohne Aufzug und mit Einzelkohleöfen unterbringen, bestehen Zweifel, dass die Frau tatsächlich eine derartige Wohnung nutzen kann oder nutzen will (OLG Karlsruhe RE WuM 1983, 9).

2. Nur schriftlich kündigen

Der Vermieter muss die Eigenbedarfskündigung schriftlich erklären. Dazu muss er ein vom ihm unterzeichnetes Schriftstück dem Mieter zustellen. Die Übermittlung per Telefax oder E-Mail genügt nicht. Die Schriftform dient vor allem auch dem Nachweis der Kündigung.

3. Kündigung bei mehreren Mietern

Haben mehrere Mieter den Mietvertrag unterzeichnet (z.B. Ehepaar), muss der Vermieter die Kündigung an alle Mieter richten. Stehen umgekehrt auf Vermieterseite mehrere Personen, müssen alle das Kündigungsschreiben unterzeichnen.

4. Inhalt der Eigenbedarfskündigung

Der Mieter ist zu informieren, welches Interesse der Vermieter (hier Pflege der Großeltern oder eines Großelternteils möglichst mit Angabe der Gründe der Pflegebedürftigkeit) an der Nutzung der Wohnung hat. Das Interesse muss auch noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehen. Verstirbt der pflegebedürftige Elternteil in diesem Zeitraum, entfällt das Kündigungsinteresse und der Vermieter muss dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses anbieten (BGH WuM 2003, 464; LG Lübeck WuM 1999, 336).

Der Vermieter muss er das Großelternteil bezeichnen, für das er Eigenbedarf anmeldet. Keinesfalls genügt es, auf den Gesetzestext zu verweisen oder nur die Kündigung wegen Eigenbedarfs auszusprechen. Auch die Erklärung „Ich benötige die Wohnung für meine Großeltern“, ist unzureichend.

Anhand der Angaben im Kündigungsschreiben soll der Mieter prüfen können, inwieweit er sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen kann oder diese wohl oder übel akzeptieren muss. Deshalb kann der Vermieter auch im Räumungsprozess nur die Kündigungsgründe vortragen, die im Kündigungsschreiben bezeichnet sind. Er kann den Kündigungsgrund nicht auswechseln, beispielsweise die Eigenbedarfskündigung zunächst mit dem Eigenbedarf des Sohnes begründen und im Prozess erklären, er wolle jetzt die Oma pflegen (LG Düsseldorf WuM 1992, 130).

5. Kündigungsfrist beachten

Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate, sofern das Mietverhältnis nicht länger als 5 Jahre bestanden hat. Nach 5 Jahren verlängert sich die Kündigungsfrist auf 6 Monate und nach 8 Jahren auf 9 Monate (§ 573c I BGB). Mietvertraglich kann eine längere Kündigungsfrist maßgebend sein.

6. Widerspruch des Mieters

Der Mieter kann gegen die Eigenbedarfskündigung bis spätestens 2 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist beim Vermieter Widerspruch einlegen und sich auf eine für ihn unzumutbare Härte berufen (Sozialklausel § 574 BGB). Da er demzufolge auch nicht freiwillig auszieht, muss der Vermieter bei Gericht die Räumung einklagen.

Soweit der Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit im Kündigungsschreiben fehlt, kann der Mieter der Kündigung auch noch bis zu einem eventuell folgenden Räumungsprozess widersprechen (§ 574b II BGB).

7. Sonderkündigungsrecht beim Zweifamilienhaus erübrigt Eigenbedarfskündigung

Die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung brauchen nicht geprüft zu werden, wenn der Vermieter zusammen mit dem Mieter ein Zweifamilienwohnhaus bewohnt. Dann gewährt das Gesetz den Vermieter ein Sonderkündigungsrecht für die dem Mieter vermietete Wohnung (§ 573a BGB). Der Vermieter kann dann das Mietverhältnis auch ohne berechtigtes Interesse (Eigenbedarf) kündigen, so dass es auf die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung gar nicht erst ankommt. Lediglich die normale Kündigungsfrist (zum Ablauf des übernächsten auf die Kündigung folgenden Monats) verlängert sich um drei Monate.

Beispiel: Vermieter kündigt bis zum 3. Januar 2014, Kündigung wird zum 30. Juni 2014 wirksam.

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