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Was ist ein arglistig verschwiegener Mangel im Mietrecht?

Stromschlag vom Lichtschalter, Duschabfluss verstopft, Toilettenkasten tropft, Fenster halten nicht in Kippstellung, Feuchtigkeitsflecken und Schimmel hinter dem Badschrank, Heizung funktioniert nicht: Viele Mängel in einer Mietwohnung erkennen Mieter erst dann, wenn sie bereits eingezogen sind. Der erste Gedanke ist dann meist: „Ich wurde vom Vermieter reingelegt!“ Aber ob der Vermieter tatsächlich bereits von dem Mangel wusste, als er die Wohnung übergab, ist oft nicht eindeutig. Wann kann ein Mieter in solchen Fällen von einem arglistig verschwiegenen Mangel ausgehen? Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Arglist im Mietrecht angenommen wird? Und hat man als Mieter besondere Rechte, wenn ein Vermieter Mängel arglistig verschweigt?

Der nachfolgende Artikel beantwortet diese Fragen und nennt Beispiele für einen arglistig verschwiegenen Mangel.

I. Begriff: Arglistig verschwiegener Mangel

Nicht jeder Mangel einer Mietwohnung, den der Vermieter kennt, aber nicht erwähnt, ist ein arglistig verschwiegener Mangel.

Ein arglistiges Verschweigen eines Vermieters ist nur dann anzunehmen, wenn ein Vermieter

  • einen offenbarungspflichtigen Mangel oder die ihn begründenden Umstände kennt oder zumindest für möglich hält und
  • er weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Mietinteressent diesen Mangel nicht kennt und
  • bei Aufklärung über diesen Mangel den Mietvertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte

(vgl. Amtsgericht (AG) Brandenburg, 02.02.2017, Az.: 34 C 79/15; Bundesgerichtshof (BGH) Urteil vom 08.12.2006, Az.: V ZR 249/05; Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Urteil vom 17.04.2008, Az.: 5 U 70/07)

Darüber hinaus kann ein Fall der Arglistig auch in einer unrichtigen Erklärung liegen: So z.B. wenn der Vermieter sich nicht sicher ist was er sagt und die Unrichtigkeit seiner Erklärung nur für möglich hält, dies aber billigend in Kauf nimmt – sog. Erklärungen „ins Blaue hinein“ abgibt (BGH, Urteil vom 08.12.2006, Az.: V ZR 249/05; BGH, Urteil vom 12.01.2001, Az.: V ZR 322/99; BGH, Urteil vom 20.10.2000, Az.: V ZR 285/99; BGH, Urteil vom 23.03.1990, Az.: V ZR 233/88).

Im Mietrecht gelten für die Annahme des arglistigen Verschweigen eines Mangels im Sinne des § 536 b Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die gleichen Voraussetzungen wie im Kaufrecht nach § 444 BGB, weshalb hier auch Rechtsprechung zum Kaufrecht (wie z.B. zum Hauskauf oder Autokauf) herangezogen werden kann. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Arglist ist grds. der Käufer bzw. Mieter darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 2003, 2380; OLG Köln OLGR 2007, 268).

1. Voraussetzung.: Offenbarungspflichtiger Mangel

Die erste Voraussetzung für das Vorliegen einen arglistig verschwiegenen Mangels ist, dass der Vermieter eine Offenbarungspflicht bzgl. des Mangels hat. D.h. der Vermieter muss eine Aufklärungspflicht haben (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020, Az.: I-21 U 46/19). Eine solche besteht nur insoweit, als der Mieter bzw. Mietinteressent auf Grund der Verkehrsanschauung nach Treu und Glauben eine Auskunft erwarten durfte. Eine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, besteht nicht( vgl. OLG Köln durch Urteil vom 9.12.2011, Az.: 19 U 48/11).

Nach der Rechtsprechung haben Vermieter bei folgenden Mängeln eine Aufklärungspflicht:

  • erhebliche Mängel in der Mietwohnung: Eine Offenbarungspflicht besteht für alle wesentlichen Mängel, die für den Vertragszweck erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die der Vermieter redlicherweise nicht verschweigen darf (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 27.11.2008, Az.: 5 U 98/07, OLG Köln, Urteil vom 27.10.2015, Az.: 22 U 93/14). Erheblich sind z.B. erhebliche Feuchtigkeitsschäden, Schimmel, Feuchtigkeit in den Kellerwänden, Mängel des Abwasserabflusses etc.
  • (bekannte) zukünftige Mängel: Die Aufklärungspflicht kann sich auch auf Umstände beziehen, welche wegen drohender zukünftiger Verschlechterungen oder einer bestimmten Erwartungshaltung für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ohne dass bereits ein tatsächlicher Mangel besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020, Az.: I-21 U 46/19: Die aufklärungswürdigen und bedürftigen Umstände sind weiter zu fassen als der Sachmangelbegriff i.S.v. § 434 BGB (oder § 536 BGB im Mietrecht): hier die Aufstellung von Müllcontainern vor der Wohnung)
  • Mängel nach denen ausdrücklich gefragt wird: Offenbarungspflichtig ist der Vermieter bei Fragen des Mieters sowie über besonders wichtige Umstände, die für die Wertbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. OLG Köln durch Urteil vom 9.12.2011, Az.: 19 U 48/11).

Keine Aufklärungspflicht besteht hingegen über solche Mängel, die einer Besichtigung zugänglich oder ohne weiteres erkennbar sind — also alle sichtbaren Mängeln (vgl. OLG Köln, Urteil vom 9.12.2011, Az.: 19 U 48/11).  Insoweit kann ein Mieter nicht erwarten besonders aufgeklärt zu werden, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann ((vgl. OLG Köln, Urteil vom 9.12.2011, Az.: 19 U 48/11).  Als ohne weiteres erkennbare Mängel gelten auch solche Mängel, von denen bei der Besichtigung zwar nur Spuren zu erkennen sind, die aber gleichwohl einen tragfähigen Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2012, Az.: V ZR 18/11; BGH, Urteil vom 12.11.2010, Az.: V ZR 181/09).

Merke:

Der Vermieter muss in der Regel nur über verborgene, nicht unerhebliche Mängel oder über solche nicht erkennbaren Umstände aufklären, die nach der Erfahrung auf bestimmte Mängel schließen lassen (vgl. OLG Köln durch Urteil vom 9.12.2011, Az.: 19 U 48/11).

2. Voraussetzung: Vorsätzliches Verschweigen und Unkenntnis des Mieters

Die zweite Voraussetzung ist, dass der Vermieter den offenbarungspflichtigen Mangel bei Abschluss des Mietvertrages vorsätzlich (d.h. absichtlich) verschweigt. Dazu muss er den Mangel kennen und gleichzeitig davon ausgehen, dass der Mieter den Mangel nicht kennt und den Mietvertrag nicht oder nicht in der Form abgeschlossen hätte.

Für die Annahme der Kenntnis eines Mangels und damit zumindest bedingt vorsätzliches Verschweigen reicht es auch aus, dass der Vermieter, die Umstände kennt oder zumindest für möglich hält, die einen konkreten Mangel begründen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2012, Az.: V ZR 18/11). Es reicht auch aus, wenn der Vermieter falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage („ins Blaue hinein“) macht, mit deren Unrichtigkeit er rechnet. So z.B. wenn er angesichts eines sichtbaren Mangels eine Vermutung für die Ursache anstellt, an die er selbst nicht glaubt bzw. deren Unrichtigkeit er für möglich hält (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2012, Az.: V ZR 18/11). Oder auch, wenn er z.B. wider besseres Wissens irreführende, grob verharmlosende Angaben über vorhandene Mängel macht (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 10.04.2008, Az.: 5 U 10/07; OLG Köln, Urteil vom 27.10.2015, Az.: 22 U 93/14).

Auf der anderen Seite muss der Vermieter auch annehmen, dass der Mieter bzw. Mietinteressent einen bestimmten Mangel nicht kennt. Bei Mängeln in der Mietwohnung, die bei einer Besichtigung ohne weiters erkennbar sind und auch dem Mietinteressenten bzw. Mieter förmlich ins Auge springen müssen, darf ein verständiger und redlicher Vermieter allerdings auch davon ausgehen, dass keine gesonderte Aufklärung erforderlich ist (BGH, Urteil vom 12. 11. 2010, Az.: V ZR 181/09)

Eine weitere subjektive Voraussetzung auf Seiten des Vermieters ist, dass er zumindest damit rechnete, dass der Mieter den Mietvertrag bei einer Aufklärung über den Mangel nicht oder zumindest nicht in derselben Form abgeschlossen hätte (LG Düsseldorf, 28.05.2019, Az.: 14e O 198/17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020, Az.: I-21 U 46/19). Hier wird immer darauf abzustellen sein, um welche Art von Mangel es sich handelt. Geht es um wesentliche zugesicherte Eigenschaften oder erhebliche Mängel, die die Tauglichkeit der Mietwohnung beeinflussen, wird wohl immer anzunehmen sein, dass der Mieter den Mietvertrag nicht oder nicht in derselben Form geschlossen hätte, wie ohne Aufklärung.

II. Welche Folgen hat ein arglistig verschwiegener Mangel?

Stellt sich heraus, dass die Mietwohnung einen Mangel hat, den der Vermieter arglistig verschwiegen hat, ergeben sich für den Mieter unter Umständen einige besondere Rechte.

In erster Linie hat der Mieter bei arglistig verschwiegenen Mängeln allerdings genau dieselben Rechte, wie bei jedem anderen Mangel auch: Den Anspruch auf Beseitigung des Mangels (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB), das Minderungsrecht  ( § 536 Abs. 1 BGB) und den Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz (§ 536 a BGB).

Wie eine Mietminderung geltend gemacht wird, zeigt diese Anleitung: 10 Schritte zur Mietminderung – So gehen Mieter vor.

Eine erste Besonderheit für arglistig verschwiegene Mängel findet sich bei solchen Mängeln, die einem Mieter nur wegen eigener grober Fahrlässigkeit unerkannt geblieben sind:  Nach § 536 b BGB sind die Rechte des Mieters aus den §§ 536 und 536a BGB bei anfänglichen Mängeln eigentlich ausgeschlossen, wenn sie ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. Dieser Ausschluss gilt aber nicht, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Grob fahrlässig unerkannte Mängel, sind solche Mängel, die dem Mieter bei Beachtung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen des Einzelfalls eigentlich hätten auffallen müssen (BGH, Urteil vom 11.7.2007, Az.: XII ZR 197/05).

Mehr zu dem Ausschluss lesen Sie hier: Keine Mietminderung möglich: Ausschlussgründe für Mietminderung

Eine weitere Besonderheit bei arglistig verschwiegenen Mängeln betrifft die rechtlichen Möglichkeiten des Mieters sich frühzeitig wieder vom Mietvertrag zu lösen: Der Mieter kann bei einem arglistig verschwiegenen Mangel den Mietvertrag außerordentlich (fristlos) kündigen nach § 543 Abs. 2 Ziffer 1 BGB oder wegen arglistiger Täuschung anfechten nach § 123 BGB.

III. Beispiele für arglistig verschwiegenen Mangel

Typische Fälle, in denen Vermieter einen Mangel in der Mietwohnung gerne verschweigen sind z.B.: Wohnungen mit Schimmel und Feuchtigkeitsschäden im Bad oder Kellerräumen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.10.2015, Az.: 22 U 93/14; OLG Bamberg, Urteil vom 08.03.2012, Az.: 3 Ws 4/12; LG München I, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 26 O 12901/02); Wohnungen die (in der Vergangenheit) wegen Lärmbelästigungen oder sonstigen Störungen im Wohnhaus immer wieder gekündigt werden (z.B. LG Berlin, Urteil vom 21. Juli 1995, Az.: 64 S 84/95: Bordell im Erdgeschoß und Taubennester unterm Dach); (Altbau)Wohnungen bei den alte Rohre verstopft oder undicht sind; verlegte Wandfliesen nur provisorisch wieder angeklebt wurden etc., auch kaputte Heizungsanlagen werden in den Sommermonaten nicht immer erwähnt.

Die Art des Mangels kann von ganz unterschiedlicher Art und Erheblichkeit sein.

IV. Fazit und Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Regel dann ein arglistig verschwiegener Mangel vorliegt, wenn:

  1. Der Vermieter einen aufklärungsbedürftigen Mangel der Mietwohnung bei Abschluss der Mietvertrages kennt oder mindestens für möglich hält.
  2. Er gleichzeitig weiß oder damit rechnet, dass der Mieter den Fehler nicht kennt und
  3. der Mieter bei Offenbarung des Mangels den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

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