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Selbstschuldnerische Mietbürgschaft: Vor- und Nachteile für Bürgen, Vermieter und Mieter

„Selbstschuldnerische Mietbürgschaft“, diesen Begriff haben Viele schon einmal gehört. Doch was verbirgt sich dahinter und wann haftet ein Bürge selbstschuldnerisch? Diese Fragen können selbst Bürgen und auch Vermieter oft nicht ohne weiteres beantworten. Auch der wichtigen Frage, welche Vor- und Nachteile eine selbstschuldnerische Mietbürgschaft für Bürgen, Vermieter, aber auch Mieter hat, wird oft nicht genug Bedeutung geschenkt.

Dieser Beitrag hilft Vermietern und Bürgen dabei, richtig einzuschätzen, welche Rechte und Pflichten sie haben, wenn der Bürge selbstschuldnerisch haftet und welche Vor- bzw. Nachteile sich für die Beteiligten daraus jeweils ergeben.

I. Selbstschuldnerische Mietbürgschaft – Was man darunter versteht

Der Gesetzgeber sieht für den Normalfall vor, dass der Bürge subsidiär haftet. Subsidiär, also nachrangig, bedeutet in diesem Fall, dass der Vermieter den Bürge erst dann in Anspruch nehmen kann, wenn er zuvor mit allen ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln versucht hat, beim Mieter, dem sog. Hauptschuldner, Befriedigung wegen seiner Forderung zu erlangen. Damit der Bürge in der Lage ist, selbst dafür zu sorgen, dass er erst dann zahlen muss, wenn die Inanspruchnahme des Mieters gescheitert ist, enthält das Gesetz für den Bürgen die Möglichkeit, die sog. Einrede der Vorausklage zu erheben. Diese in § 771 BGB enthaltene Einrede gibt dem Bürgen das Recht, die Befriedigung des Gläubigers (Vermieters) zu verweigern, solange nicht der Gläubiger (Vermieter) eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner (Mieter) ohne Erfolg versucht hat. Hat der Bürge die Einrede der Vorausklage erhoben, kann der Vermieter den Bürgen erst dann in Anspruch nehmen, wenn er gegen den Mieter einen Vollstreckungstitel erwirkt und aus diesem erfolglos die Zwangsvollstreckung betrieben hat. Dieses Recht, die Einrede der Vorausklage zu erheben, steht dem Bürgen nicht zu, wenn er selbstschuldnerisch haftet. In diesem Fall muss er sich so behandeln lassen, als sei er selbst der Hauptschuldner und kann den Vermieter nicht darauf verweisen, dass er zunächst Befriedigung beim Mieter, dem Hauptschuldner, suchen muss.

II. Unter diesen Umständen haftet der Bürge selbstschuldnerisch

Der Bürge haftet gem. § 773 Abs.1 Nr.1 BGB selbstschuldnerisch, wenn er auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Ein solcher Verzicht ist nicht nur individualvertraglich, sondern auch formularmäßig zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2001 – IX ZR 337/98; LG Krefeld, Urteil vom 13.07.2013 – 2 O 363/12). Der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage bedarf der Schriftform des § 766 S.1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1968 – VIII ZR 164/66) und kann nur im Einvernehmen mit dem Vermieter wirksam erfolgen. Erfolgt der Verzicht durch eine ausdrückliche Erklärung des Bürgen, ergeben sich in der Regel keine Probleme. Nicht selten fehlt in der Erklärung des Bürgen jedoch das Wort „Verzicht“ und es werden andere Formulierungen verwendet, die einer Auslegung bedürfen. Hat sich der Bürge der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen (vgl. § 794 Abs.1 Nr.5 ZPO), wird hierin in der Regel ein Verzicht auf die Einrede der Vorausklage erblickt. Nach einem Urteil des LG Kassel vom 19.12.1996 – 1 S 613–96 – liegt auch in der Übernahme der Verpflichtung des Mietzinsbürgen “zur rechtzeitigen Zahlung” ein Verzicht auf die Einrede der Vorausklage. Diese Formulierung könne- so das LG Kassel- bei verständiger Auslegung nur bedeuten, dass der Bürge die rechtzeitige Zahlung des Mietzinses zu dem kalendermäßig bestimmten Fälligkeitstermin durch eine sofortige Zugriffsmöglichkeit des Vermieters auf ihn bei einer Verspätung der Zahlung durch den Mieter sicherstellen soll.

Heißt es in der Bürgschaftserklärung lediglich, dass der Bürge sich „als Selbstschuldner“ verbürgt, liegt auch hierin zumindest dann ein wirksamer Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, wenn sich diese Erklärung in einem Individualvertrag befindet.

Umstritten hingegen ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Bürge sich formularvertraglich verbürgt hat. Unter Berufung auf das aus § 307 Abs.1 S.2 BGB folgende Transparenzgebot, das besagt, dass eine zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führende un­an­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung sich auch dar­aus er­ge­ben kann, dass die Be­stim­mung nicht klar und ver­ständ­lich ist, wird zum Teil vertreten, dass in den Fällen, in denen die Bürgschaft in einem Formularvertrag lediglich als „selbstschuldnerisch“ bezeichnet ist, die von § 307 Abs.1 S.2 BGB geforderte Transparenz nur dann vorliegt, wenn der Bürge klar und unmissverständlich darauf hingewiesen wurde, dass die von ihm übernommene Haftung nicht subsidiär ist. Ein wirksamer Verzicht auf die Einrede der Vorausklage liegt nach dieser Auffassung nicht nur dann nicht vor, wenn die Bürgschaft lediglich als „selbstschuldnerisch“ bezeichnet sei, sondern auch dann nicht, wenn lediglich ein bloßer Hinweis auf die Abbedingung des § 771 BGB erfolgt, ohne dass erläutert wird, welches Recht dadurch abbedungen wird (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 773 Rn.3).

Auch wenn es an einer höchstrichterlichen Entscheidung bislang fehlt, wird man diese Auffassung jedoch nicht als mehrheitsfähig ansehen können. Im Hinblick darauf, dass das Gesetz selbst in § 773 Abs.1 Nr.1 HS 2 BGB die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft beispielhaft als eine von mehreren Möglichkeiten benennt, durch die der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage zum Ausdruck gebracht werden kann, sollten sowohl Bürgen als auch Vermieter und nicht zuletzt auch der Mieter davon ausgehen, dass die bloße Bezeichnung der Bürgschaft als „selbstschuldnerische“ auch in einem Formularvertrag ausreicht, um das Recht, die Einrede der Vorausklage zu erheben, wirksam auszuschließen.

Sonderfall: Gesetzlich angeordnete selbstschuldnerische Bürgenhaftung

In der ganz überwiegenden Zahl aller Fälle wird eine selbstschuldnerische Haftung dadurch begründet, dass ein Bürge durch eine Erklärung gegenüber dem Vermieter auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Es gibt aber auch Fälle, in denen das Gesetz eine selbstschuldnerische Haftung anordnet, ohne dass die Beteiligten diese Haftung durch eine auf diese Rechtsfolge abzielende rechtsgeschäftliche Erklärung herbeigeführt haben. Selbstschuldnerisch haftet in diesem Fall auch nicht ein Bürge, sondern der ehemalige Vermieter im Falle einer Veräußerung des dem Mieter bereits überlassenen Wohnraums. § 566 Abs.2 BGB bestimmt nämlich, dass in denjenigen Fällen, in denen der gem. § 566 Abs.1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erwerber seine mietvertraglichen Pflichten nicht erfüllt, der ehemalige Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.

III. Diese Vor- und Nachteile bringt eine selbstschuldnerische Mietbürgschaft für Bürgen, Vermieter und Mieter mit sich

Für den Vermieter hat es in der Regel ausschließlich Vorteile, wenn der Bürge selbstschuldnerisch haftet. Er kann unmittelbar den Bürgen in Anspruch nehmen, ohne den Umweg über den Mieter gehen zu müssen, wenn dieser seine Pflichten aus dem Mietverhältnis nicht erfüllt. Hierin liegt eine Ersparnis von Aufwand, Zeit, oft aber auch von Kosten für eine gerichtliche Auseinandersetzung, die der Vermieter zumindest vorschießen muss.

Getreu dem Sprichwort „Des einen Freud des anderen Leid“ bringt die selbstschuldnerische Haftung für den Bürgen in erster Linie Nachteile mit sich. Er kann den Vermieter nicht darauf verweisen, zunächst den Mieter in Anspruch nehmen zu müssen und muss sogar dann zahlen, wenn eine Inanspruchnahme des Mieters Aussicht auf Erfolg hätte. Die Pflicht zur Auseinandersetzug mit dem Mieter wird auf den Bürgen verlagert, sofern dieser seinen Regressanspruch geltend macht, der ihm gem. § 774 Abs.1 BGB und aus dem zwischen ihm und dem Mieter bestehenden Vertragsverhältnis zusteht.

Nicht immer ist die selbstschuldnerische Haftung für den Bürgen jedoch ausschließlich nachteilig. Bleibt ein Zwangsvollstreckungsversuch beim Mieter erfolglos, den der Vermieter im Falle einer subsidiären Haftung des Bürgen zunächst vornehmen muss, haftet der Bürge auch für die dem Mieter gem. § 91 Abs.1 ZPO auferlegten Prozesskosten und die ihm gem. § 788 Abs.1 ZPO zur Last fallenden Kosten der Zwangsvollstreckung, vorausgesetzt, die in der Regel eingreifende gesetzliche Obergrenze des § 551 Abs.1 BGB von drei monatlichen Nettokaltmieten wird durch diese Erhöhung der Bürgschaftsforderung nicht überschritten. Gem. § 767 Abs.2 BGB haftet der Bürge nämlich auch für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung. Um diese Kosten der Rechtsverfolgung erhöht sich der Bürgschaftsanspruch nicht, wenn der selbstschuldnerisch haftende Bürge direkt in Anspruch genommen wird.

Auch für den Mieter ist es nicht ohne Bedeutung, ob der Bürge sich zur Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft bereit erklärt oder nicht. Für ihn wirkt sich die selbstschuldnerische Haftung des Bürgen in der Regel positiv aus. Der Vorteil besteht für den Mieter nicht in erster Linie darin, dass der Vermieter berechtigt ist, den Bürgen direkt in Anspruch zu nehmen, er selbst also ggf. von einer Inanspruchnahme durch den Vermieter verschont bleibt. Hierdurch kommt es für ihn nämlich in der Regel nur zu einem Austausch des Gläubigers. Hat nämlich der Bürge den Vermieter befriedigt, kann der Bürge den Mieter – wie zuvor dargelegt- in Regress nehmen, sofern es sich bei der Übernahme der Bürgschaft nicht um eine Schenkung handelt. Der eigentliche Vorteil besteht für den Mieter vielmehr darin, dass die Bereitschaft des Bürgen, selbstschuldnerisch zu haften, oft den Abschluss des Mietvertrages erst ermöglicht. Viele Vermieter machen nämlich den Abschluss des Mietvertrages davon abhängig, dass die vom Mieter beigebrachte Bürgschaft eine selbstschuldnerische ist.

IV. Fazit und Zusammenfassung

  1. Haftet der Bürge selbstschuldnerisch, bedeutet dies, dass ihm die Einrede der Vorausklage nicht zusteht, er die Zahlung an den Vermieter also nicht solange verweigern kann, bis dieser eine Zwangsvollstreckung gegen den Mieter ohne Erfolg versucht hat.
  2. Die Bürgschaft ist dann eine selbstschuldnerische, wenn der Bürge auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Kraft gesetzlicher Anordnung haftet der ehemalige Vermieter, der den dem Mieter überlassenen Wohnraum veräußert hat, wie ein selbstschuldnerisch haftender Bürge für die Verbindlichkeiten des Erwerbers aus dem Mietverhältnis.
  3. Die selbstschuldnerische Bürgschaft bringt für den Vermieter den großen Vorteil mit sich, dass er keinen Versuch unternehmen muss, Befriedigung beim Mieter zu erlangen, ehe er den Bürgen in Anspruch nehmen kann. Dieser Vorteil ist zugleich ein Nachteil für den Bürgen, dessen Aufgabe es nun ist, den Mieter in Anspruch zu nehmen, wenn er seinen Regressanspruch durchsetzen möchte. Der Mieter profitiert in der Regel von der selbstschuldnerischen Haftung des Bürgen, da diese vielfach Voraussetzung des Vermieters für den Abschluss des Mietvertrages ist.

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