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Mietbürgschaft: Einrede der Vorausklage – Bedeutung für Bürgen und Vermieter

Verpflichtet sich ein Bürge gegenüber einem Vermieter, für die Verbindlichkeiten eines Mieters aus dem Mietverhältnis einzustehen, muss er zwar damit rechnen, von dem Vermieter auch tatsächlich in Anspruch genommen zu werden. Seine Bereitschaft zu bürgen basiert jedoch oft auf der Annahme, dass dies nur dann geschieht, wenn eine Inanspruchnahme des Mieters endgültig keinen Erfolg hat. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Es ist keine Seltenheit, dass Vermieter unmittelbar den Bürgen zur Zahlung auffordern, wenn der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, ohne den Mieter zu verklagen und einen Zwangsvollstreckungsversuch zu unternehmen. So manch ein Bürge fühlt sich in solchen Fälle zu Unrecht in Anspruch genommen und verweigert die Zahlung, manchmal zu recht, manchmal aber auch nicht.

Dieser Beitrag erklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bürge sich gegen seine Inanspruchnahme zur Wehr setzen kann, wenn der Vermieter nicht zuvor erfolglos versucht hat, sich Befriedigung beim Mieter zu verschaffen.

I. Grundsatz: Subsidiarität der Bürgenhaftung

Bei der Mietbürgschaft handelt es sich um ein Sicherungsmittel, mit dem die Forderungen des Vermieters gegen den Mieter aus dem Mietverhältnis abgesichert werden sollen. Ein Sicherungsmittel zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass auf dieses nur dann zurückgegriffen werden kann, wenn der sog. Sicherungsfall eingetreten ist, wenn der Gläubiger – im Falle der Mietbürgschaft der Vermieter- also durch die Inanspruchnahme des Hauptschuldners (des Mieters) keine Befriedigung erlangt.

II. Die Einrede der Vorausklage- Eine Ausprägung der Subsidiarität der Bürgenhaftung

Das Gesetz bringt die Subsidiarität der Bürgenhaftung insbesondere in § 771 BGB zum Ausdruck. Danach kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat. Hiermit umschreibt das Gesetz die sog. Einrede der Vorausklage, deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Folgenden beschrieben werden sollen.

III. Unter diesen Voraussetzungen steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zu

Das Gesetz regelt an unterschiedlichen Stellen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen oder auch nicht vorliegen dürfen, damit dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zusteht. Diese sind in den §§ 771 bis 773 BGB zu finden.

1. Der Vermieter hat keinen erfolglosen Versuch der Zwangsvollstreckung beim Mieter unternommen

Dass dem Mietbürgen die Einrede der Vorausklage zusteht, wenn der Vermieter zuvor keinen erfolglosen Versuch unternommen hat, den Mieter in Anspruch zu nehmen, ist weitgehend bekannt. Welche Anforderungen an diesen Versuch des Vermieters zu stellen sind, was dieser also tun muss, um der Einrede der Vorausklage zu entgehen, ist weit weniger offensichtlich. Dass eine rein außergerichtliche, an den Mieter gerichtete Zahlungsaufforderung nicht das Einzige ist, wovon der Bürge seine Inanspruchnahme abhängig machen kann, ergibt sich bereits aus dem Begriff „Einrede der Vorausklage“. Im Übrigen gibt diese Bezeichnung jedoch keine zuverlässige Auskunft darüber, was sich tatsächlich dahinter verbirgt, sondern vermittelt im Gegenteil den Eindruck, der Vermieter müsse den Mieter zuvor lediglich erfolglos verklagt haben, bevor er den Bürgen in Anspruch nehmen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Erhebung einer Klage ist weder zwingend notwendig noch ausreichend, um der Einrede der Vorausklage zu entgehen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Vermieter die Zwangsvollstreckung beim Mieter erfolglos versucht hat. Um gegen den Mieter vollstrecken zu können, bedarf es zwar eines gegen den Mieter gerichteten Vollstreckungstitels (vgl. § 750 ZPO). Diesen erlangt der Vermieter in aller Regel auch dadurch, dass er sich durch die Erhebung einer Klage ein Urteil verschafft, aus dem er vollstrecken kann. Das Urteil stellt jedoch nicht den einzigen Vollstreckungstitel dar, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. § 794 ZPO listet eine Reihe weiterer Titel auf, aus denen die Zwangsvollstreckung stattfinden kann. Hervorzuheben ist hier § 794 Abs.1 Zf. 4 ZPO, der den Vollstreckungsbescheid als zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel nennt. Erwirkt der Vermieter einen solchen im Wege eines Mahnverfahrens (vgl. §§ 688 ff. ZPO) gegen den Mieter, kann er auch aus diesem die Zwangsvollstreckung betreiben.

Auf die Zwangsvollstreckung kommt es nämlich gem. § 771 BGB entscheidend an. Diese muss der Vermieter erfolglos versucht haben. Auf Grund welcher Art von Titel diese erfolgt, bleibt dem Vermieter überlassen.

§ 771 S.1 BGB spricht lediglich von „der Zwangsvollstreckung“, die der Gläubiger erfolglos versucht haben muss, ohne vorzugeben, auf welche Weise diese zu erfolgen hat. Da es unterschiedliche Arten der Zwangsvollstreckung gibt, könnte der Vermieter sich ohne gesetzliche Vorgabe also aussuchen, ob er in das bewegliche Vermögen des Mieters, in dessen unbewegliches Vermögen oder aber in Forderungen oder Rechte vollstreckt. Für diejenigen Fälle, in denen die abgesicherte Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf Geld gerichtet ist, wie es bei den Forderungen des Vermieters gegen den Mieter, für die der Mietbürge bürgt, in der Regel der Fall ist, bestimmt § 772 Abs.1 BGB jedoch, dass die Zwangsvollstreckung in die beweglichen Sachen des Hauptschuldners an seinem Wohnsitz, wenn ein solcher vorhanden ist, auch an dem Ort einer gewerbliche Niederlassung und in Ermangelung eines Wohnsitzes und einer gewerblichen Niederlassung an seinem Aufenthaltsort erfolgen muss. Der Vermieter muss also den Gerichtsvollzieher mit der Pfändung körperlicher Sachen gem. §§ 808 ff. ZPO beauftragen.

Beachte:

Hat sich der Bürge für mehrere Mieter verbürgt, die dem Vermieter als Gesamtschuldner i. S. d. § 421 BGB haften, muss der Vermieter bei allen Mietern einen Zwangsvollstreckungsversuch unternehmen. Dass dieser bei einem der Mieter gescheitert ist, reicht nicht aus, um der Einrede der Vorausklage die Grundlage zu entziehen.

2. Der Vermieter hat keine Möglichkeit, durch die Verwertung einer dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sache Befriedigung zu erlangen

Hat der Vermieter einen erfolglosen Vollstreckungsversuch in die beweglichen Sachen des Mieters unternommen, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass er die Erhebung der Einrede der Vorausklage durch den Bürgen nicht mehr fürchten muss. § 772 Abs.2 BGB enthält eine weitere Ausprägung der Subsidiarität der Bürgenhaftung und ordnet an, dass auch die Befriedigung aus Sicherungsrechten des Gläubigers der Inanspruchnahme des Bürgen vorgeht. Gem. § 772 Abs.2 S.1 BGB muss der Gläubiger nämlich dann, wenn ihm für die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung außerdem ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht an einer beweglichen Sache des Hauptschuldners zusteht, auch aus dieser Sache Befriedigung suchen. Dies gilt gem. § 772 Abs.2 S.2 BGB allerdings dann nicht, wenn dem Vermieter ein solches Recht an der Sache auch für eine andere, durch die Bürgschaft nicht abgesicherte Forderung zusteht und nicht beide Forderungen durch den Wert der Sache gedeckt werden.

Viele Vermieter wissen gar nicht, dass ihnen ein Pfandrecht an bestimmten Sachen des Mieters zusteht, weil dieses kraft Gesetzes entsteht. Das sog. Vermieterpfandrecht des Vermieters entsteht nämlich gem. § 562 Abs.1 BGB an den in die Mietsache eingebrachten, im Eigentum des Mieters stehenden, pfändbaren Sachen. Solange der Vermieter die Möglichkeit hat, sich durch die Verwertung einer dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sache Befriedigung zu verschaffen, kann der Bürge daher trotz erfolglosen Vollstreckungsversuchs die Einrede der Vorauslage erheben, sofern die Ausnahme des § 772 Abs.2 S.2 BGB nicht greift.

Alles Wichtige zum Vermieterpfandrecht erfahren Sie in unserem Beitrag: „Vermieterpfandrecht – Voraussetzungen, Ausübung und Verwertung.“

3. Die Einrede der Vorausklage ist nicht ausgeschlossen- Keine selbstschuldnerische Haftung des Bürgen

Auch wenn der Vermieter keinen erfolglosen Vollstreckungsversuch beim Mieter unternommen hat oder sich keine Befriedigung aus einer dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sache verschafft hat, steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zu, wenn einer der in § 773 Abs.1 BGB aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Danach ist die Einrede der Vorausklage nämlich ausgeschlossen:

  • wenn der Bürge auf die Einrede verzichtet, insbesondere wenn er sich als Selbstschuldner verbürgt hat,
  • wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach der Übernahme der Bürgschaft eingetretenen Änderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist,
  • wenn über das Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder
  • wenn anzunehmen ist, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen

Außerdem bestimmt § 349 S.1 HGB, dass die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist, wenn die Bürgschaft für den Bürgen ein Handelsgeschäft ist.

Für den Mietbürgen ist der erste der genannten Ausschlussgründe von Bedeutung.

Die meisten Vermieter verlangen eine sog. selbstschuldnerische Bürgschaft, d. h. eine solche, bei der dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zusteht, weil er auf diese verzichtet hat.

Praxistipp:

Jeder Bürge, der erwägt, die Einrede der Vorausklage zu erheben, sollte vorher prüfen, ob er auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat und ob dieser Verzicht wirksam ist. Das Gleiche gilt für den Vermieter, demgegenüber die Einrede erhoben wird.

Auf die Einrede der Vorausklage kann nicht nur individualvertraglich, sondern auch durch Unterzeichnung eines für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Bürgschaftsformulars verzichtet werden. Grds. hält der formularmäßige Verzicht auch einer am Maßstab des § 307 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle stand (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 13.07.2013 – 2 O 363/12).

Oft heißt es insbesondere in formularmäßigen Bürgschaftserklärungen, dass der Bürge „selbstschuldnerisch“ haftet, ohne dass ausdrücklich der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage erklärt oder darauf hingewiesen wird, dass die Haftung des Bürgen nicht subsidiär ist. In diesen Fällen wird nicht einheitlich beurteilt, ob die Klausel dem Transparenzgebot des § 307 Abs.1 S.2 BGB gerecht wird, wonach eine zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führende un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung sich auch dar­aus er­ge­ben kann, dass die Be­stim­mung nicht klar und ver­ständ­lich ist.

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot wird teilweise mit der Begründung bejaht, nicht jeder Bürge sei ohne Weiteres in der Lage zu erkennen, welche Folgen die Übernahme einer „selbstschuldnerischen“ Bürgschaft hat (vgl. statt Vieler: Habersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 773 Rn.3). Da jedoch das Jedermann zugängliche Gesetz selbst in § 773 Abs.1 Nr.1 BGB davon ausgeht, dass die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einen Verzicht auf die Einrede der Vorausklage beinhaltet, sollte der Bürge damit rechnen, dass eine formularmäßige Klausel, nach der der Bürge „selbstschuldnerisch“ haftet, auch ohne Hinweis auf die dadurch eintretende Rechtsfolge wirksam ist.

Weitere wichtige Einzelheiten zur selbstschuldnerischen Bürgschaft erfahren Sie in unserem Beitrag „Selbstschuldnerische Mietbürgschaft: Vor- und Nachteile für Bürgen und Vermieter.“

IV. Der Bürge muss die Einrede der Vorausklage erheben

Liegen die unter III. Zf.1 und Z.2 genannten Voraussetzungen für die Einrede der Vorausklage vor und ist diese auch nicht gem. § 773 BGB ausgeschlossen, entfällt hiermit nicht automatisch das Recht des Vermieters, den Bürgen in Anspruch zu nehmen. Der Bürge muss die Einrede erheben, damit deren Rechtsfolgen (vgl. dazu unter V.) eintreten. Wird der Bürge vom Vermieter verklagt, genügt es nicht, dass er im Prozess die Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass ihm die Einrede der Vorausklage zusteht. Er muss die Einrede entweder im Prozess erheben oder, falls dies bereits außerhalb des Prozesses geschehen ist, im Prozess vortragen, dass er die Einrede erhoben hat. Der Bürge muss zwar nicht die vom Gesetzgeber verwandten Begriffe verwenden und nicht explizit erklären, er erhebe die Einrede der Vorausklage. Geschieht dies nicht, muss aus der Erklärung des Bürgen aber deutlich hervorgehen, dass er seine Inanspruchnahme ablehnt, weil der Vermieter zuvor nicht oder nicht in einer den Anforderungen der §§ 771, 772 BGB entsprechenden Weise versucht hat, Befriedigung beim Mieter zu erlangen.

V. Diese Rechtsfolgen hat die Erhebung der Einrede der Vorausklage

§ 771 BGB regelt in S.1 und S.2 zwei unterschiedliche Rechtsfolgen, die eintreten, wenn der Bürge die Einrede der Vorausklage erhebt.

1. Keine Inanspruchnahme des Bürgen

Steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zu und hat er sie wirksam erhoben, hat dies zur Folge, dass der Vermieter den Bürgen nicht in Anspruch nehmen kann. Der Anspruch des Vermieters ist nicht durchsetzbar. Die Einrede hat allerdings nur aufschiebende Wirkung, weshalb sie auch als sog. dilatorische Einrede bezeichnet wird. Der Vermieter kann der Einrede ihre Grundlage entziehen, indem er einen den Anforderungen des § 772 Abs.1 BGB entsprechenden Vollstreckungsversuch beim Mieter unternimmt.

Erhebt der Vermieter eine Klage gegen den Bürgen, obwohl der Bürge die Einrede zu Recht erhoben hat, wird die Klage als „derzeit unbegründet“ abgewiesen. Der Vermieter kann die Klage später aber erneut erheben, wenn die Voraussetzungen für die Einrede wegen eines inzwischen durchgeführten erfolglosen Vollstreckungsversuchs beim Mieter entfallen sind.

Umstritten ist, ob der Gläubiger (Vermieter), bevor er den Vollstreckungsversuch unternommen hat, gegen den Bürgen unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO eine Klage auf künftige Leistung erheben kann. § 259 ZPO bestimmt, dass eine Klage auf künftige Leistung möglich ist, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Verbreitet wird die Anwendbarkeit des § 259 ZPO bei dilatorischen (vorübergehenden) Einreden– wie der des § 771 BGB- dann verneint, wenn deren Dauer unbestimmt ist und der Gläubiger deren Wirkung selbst beenden kann (vgl. Becker- Eberhard, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung § 259 ZPO Rn.4)

2. Hemmung der Verjährung

Ist der gegen den Mieter gerichtete Anspruch des Vermieters verjährt, kann auch der Bürge wegen der Akzessorietät der Bürgschaft gem. § 768 Abs.1 S.1 BGB die Einrede der Verjährung erheben und die Zahlung verweigern. Umgekehrt besteht diese Akzessorietät jedoch nicht. Allein die Tatsache, dass die abzusichernde Hauptforderung gegen den Mieter noch nicht verjährt ist, schließt die Verjährung des gegen den Bürgen gerichteten Bürgschaftsanspruchs des Vermieters nicht aus. Der Bürgschaftsanspruch unterliegt einer eigenständigen Verjährungsfrist, und zwar der dreijährigen des § 195 BGB. Erhebt der Vermieter nun eine Klage gegen den Mieter, um gegen diesen die Zwangsvollstreckung betreiben zu können bzw. um dieses zu versuchen und um anschließend den Bürgen in Anspruch nehmen zu können, ist zwar der gegen den Mieter gerichtete Anspruch gem. § 204 Abs.1 Nr.1, Abs.2 S.1 BGB bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Beendigung des Klageverfahrens gehemmt. Für den Bürgschaftsanspruch tritt jedoch keine Hemmung gem. § 204 Abs.1 Nr.1 BGB ein, da der Bürge nicht verklagt wurde. Bliebe es dabei, liefe der Vermieter Gefahr, dass der Bürgschaftsanspruch während der Dauer des Vollstreckungsversuchs beim Mieter, den er im Falle der Erhebung der Einrede der Vorausklage durchführen muss, um den Bürgen in Anspruch nehmen zu können, verjährt. Dies wird durch § 771 S.2 BGB verhindert. Danach ist immer dann, wenn der Bürge die Einrede der Vorausklage erhebt, die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers (des Vermieters) gegen den Bürgen gehemmt, bis der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner (den Mieter) ohne Erfolg versucht hat. Die Hemmung, die gem. § 209 BGB bewirkt, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, beginnt zumindest nach dem Wortlaut des § 771 S.2 BGB mit dem Zugang der Erklärung des Bürgen, mit der dieser die Einrede der Vorausklage erhebt, beim Vermieter und endet mit dem erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuch des Vermieters beim Mieter.

Beachte:

In der juristischen Fachliteratur werden zunehmend Stimmen laut, die eine telelogische, d.h. am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 771 S.2 BGB dahingehend fordern, dass das bloße Bestehen der Möglichkeit, die Einrede zu erheben, genügt, um die Hemmung auszulösen (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 771 Rn.8). Begründet wird dies damit, dass anderenfalls derjenige Gläubiger, der entsprechend der Subsidiarität der Bürgenhaftung zunächst den Hauptschuldner in Anspruch nimmt und sich gesetzeskonform verhält, so dass für den Bürgen kein Anlass besteht, die Einrede der Vorausklage zu erheben, Gefahr liefe, den gegen den Bürgen gerichteten Anspruch wegen dessen Verjährung nicht mehr durchsetzen zu können, wenn die Vollstreckung beim Hauptschuldner scheitert. Der Zweck des § 771 S.2 BGB, der darin bestehe zu verhindern, dass der Gläubiger den Bürgen verklagen muss, um die Hemmung auszulösen, werde verfehlt, wenn man verlange, dass der Bürge die Einrede erhebt. Solange diese Auslegung, der der Wortlaut des § 771 S.2 BGB entgegensteht, nicht höchstrichterlich bestätigt ist, sollten sowohl Bürge als auch Vermieter jedoch zunächst davon ausgehen, dass die Hemmung erst mit der Erhebung der Einrede in Gang gesetzt wird (so auch Schlösser, NJW 2006,645 (646)).

Tipp für Vermieter und Bürgen:

Auch wenn der Vermieter zunächst den Mieter in Anspruch nimmt, sollte er, um die Verjährung des Bürgschaftsanspruchs zu hemmen, versuchen, den Bürgen – möglichst, ohne ihn verklagen zu müssen- dazu zu bewegen, die Einrede der Vorausklage zu erheben, falls dies noch nicht geschehen ist. Dies kann z. B. durch eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung geschehen, führt aber nicht zwingend zum Erfolg führt, da zumindest der anwaltlich beratene Bürge sich hierzu nicht verleiten lassen wird, um den Eintritt der Verjährung des gegen ihn gerichteten Anspruchs nicht hinauszuschieben. Aus eben diesem Grund ist der Bürge gut beraten, die Einrede nur zu erheben, wenn dies unbedingt nötig ist, um nicht verurteilt zu werden, also nur dann, wenn er vom Vermieter verklagt wird.

VI. Beweislast

1. Kommt es vor Gericht zwischen dem Vermieter und dem Bürgen zum Streit darüber, ob der Anspruch des Vermieters wegen der Erhebung der Einrede der Vorausklage durch den Bürgen nicht durchsetzbar ist, hängt der Ausgang des Prozesses entscheidend davon ab, welche Partei für welche Tatsachen die Beweislast trägt.

Hier gilt Folgendes:

a) Die Beweislast dafür dass die Einrede der Vorausklage erhoben, d.h. gegenüber dem Vermieter erklärt wurde und diesem auch zugegangen ist, trägt der Bürge.

b) Der Vermieter hingegen muss beweisen, dass er einen den Anforderungen des § 772 Abs.1 BGB entsprechenden erfolglosen Vollstreckungsversuch unternommen

c) Behauptet der Bürge, der Vermieter müsse gem. § 772 Abs.2 S.1 BHB aus einer dem (Vermieter-) Pfandrecht unterliegenden Sache Befriedigung suchen, muss der Bürge beweisen, dass das Vermieterpfandrecht besteht.

d) Der Vermieter wiederum muss diejenigen Tatsachen beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Einrede der Vorausklage § 773 BGB oder gem. § 349 S.1 HBG ausgeschlossen ist.

 2. Beruft sich der Bürge im Prozess nicht auf die Einrede der Vorausklage, sondern auf die Einrede der Verjährung (vgl. § 214 Abs.1 BGB), und behauptet der Vermieter, die Verjährung sei gem. § 771 S.2 BGB gehemmt, muss der Vermieter beweisen, dass der Bürge die Einrede der Vorausklage erhoben hat.

VII. Fazit und Zusammenfassung

  1. Weil der Bürge nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur dann haften soll, wenn der Vermieter durch die Inanspruchnahme des Mieters keine Befriedigung erlangen kann, steht dem Bürgen die sog. Einrede der Vorausklage zu,
  • solange nicht der Vermieter eine Zwangsvollstreckung gegen den Mieter ohne Erfolg versucht hat oder
  • der Vermieter die Möglichkeit hat, durch die Verwertung einer beweglichen Sache des Mieters, an der ihm für die auch durch die Bürgschaft abgesicherte Forderung ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, Befriedigung zu erlangen.
  1. § 773 BGB regelt, unter welchen Umständen die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist. Besondere Bedeutung erlangt dabei der Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Vorausklage, der insbesondere dann vorliegt, wenn der Bürge sich als Selbstschuldner verbürgt hat.
  1. Der Bürge muss die Einrede der Vorausklage durch eine Erklärung, die dem Vermieter zugehen muss, erheben.
  1. Steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zu und hat er sie wirksam erhoben, hat dies zur Folge, dass der Anspruch des Vermieters gegen den Bürgen nicht durchsetzbar ist. Entfallen die Voraussetzungen für die Einrede, kann der Vermieter den Bürgen wieder in Anspruch nehmen.
  1. Außerdem ist, wenn der Bürge die Einrede der Vorausklage erhebt, die Verjährung des Anspruchs des Vermieters gegen den Bürgen von diesem Zeitpunkt an solange gehemmt, bis der Vermieter eine Zwangsvollstreckung gegen den Mieter ohne Erfolg versucht hat.

 

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