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Eigenbedarf nach Scheidung anmelden – Was muss man beachten?

Die Frage, ob der Vermieter wegen Eigenbedarf ein bestehendes Mietverhältnis kündigen kann, steht im Spannungsverhältnis zwischen dem Besitzrecht des Mieters und dem Eigentumsrecht des Vermieters als Eigentümer der Wohnung.

Die Bewertung dieses Verhältnisses bestimmt die Antwort auch auf die Frage, ob der Vermieter nach seiner Scheidung Eigenbedarf anmelden kann und was man dabei beachten muss.

Vorab zwei weiterführenden Links:

1. Eigenbedarf anmelden: Schritt für Schritt Anleitung für Vermieter

2. Eigenbedarfskündigung – 40 Fragen und Antworten

1. Besitzrecht Mieter = Eigentumsrecht Vermieter

Dazu muss man wissen, dass das Bundesverfassungsgericht (WuM 2004, 80) das Besitzrecht des Mieters an seiner Mietwohnung gegenüber dem Eigentumsrecht des Vermieters im Sinne des Art. 14 Grundgesetz als gleichwertig anerkannt hat. Deshalb rechtfertigt sich die Kündigung wegen Eigenbedarfs nur, wenn ihr vernünftige Gründe zu Grunde liegen.

Weiter ist in die Beurteilung einzubeziehen, dass der Mieter in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt einrichtet und dafür einen organisatorischen und kostenträchtigen Aufwand betreibt. Um auf den Fortbestand des Mietverhältnisses vertrauen zu dürfen, soll er vor einer willkürlichen Veränderung seiner Lebensumstände geschützt werden.

2. Scheidung als vernünftiger Kündigungsgrund

Um dieses Bestandsinteresse des Mieters auszuhebeln, braucht der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe, um seinen Eigenbedarf zu begründen.

Gründe dieser Art beruhen oft auf veränderten Lebensumständen. In Betracht kommen Heirat, Geburt oder Auszug von Kindern, Verlust oder wechselnde Arbeitsstelle, Pflegebedarf, aber auch die Trennung von Ehepartnern. Vor allem darf die Kündigung nicht objektiv unsinnig oder willkürlich sein. Bei der Überprüfung dürfen dem Vermieter keine fremden Vorstellungen (Scheidung ist unmoralisch, Vermieter sei selbst schuld u.ä.) über angemessenes Wohnen oder seine weitere Lebensplanung oder die seines Ehepartners aufgedrängt werden.

3. Vorhersehbarer Eigenbedarf ist rechtsmissbräuchlich

Demgemäß liegen keine vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe vor, wenn der Eigenbedarf bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorlag oder der Vermieter diesen vorhersehen konnte (BVerfG WuM 1989, 114; OLG München WuM 2009, 358). Vermietet er die Wohnung dann trotzdem, verhält er sich rechtsmissbräuchlich (treuwidrig) und kann nicht eigenbedarfsbedingt kündigen. Soweit der die Situation nicht überblicken kann, darf er die Wohnung allenfalls zeitlich befristet vermieten, so dass das Mietverhältnis automatisch ohne Kündigung endet.

4. Eigenbedarf für Vermieter oder den Ehepartner?

Dabei ist zu unterscheiden, ob der Vermieter die Wohnung für sich selbst benötigt oder ob sein Ehepartner dort einziehen möchte. Auch kommt es darauf an, ob die Eheleute die Trennung beabsichtigen, sich getrennt haben oder die Scheidung bereits rechtskräftig vollzogen ist.

a. Vermieter und Ehepartner sind selbst Mietvertragsparteien

Der Vermieter gehört zweifelsfrei zum begünstigten Personenkreis des § 573 BGB. Soweit der geschiedene Ehepartner selbst als Vermieter im Mietvertrag bezeichnet ist, ist er als Vermieter gleichermaßen begünstigt und kann auch selbst kündigen. Allerdings muss die Kündigung von beiden Eheleuten als Vertragspartner erklärt werden.

b. Eheleute beabsichtigen die Scheidung oder leben getrennt

Ist der geschiedene Ehepartner, der in die Wohnung einziehen will, nicht Vertragspartei des Mietvertrages kommt es darauf an, ob man ihn als Familienangehörigen des Vermieters bezeichnen kann. Dies richtet sich nach der persönlichen Verbundenheit mit dem Vermieter. Auch eine rechtliche oder moralische Verpflichtung des Vermieters, Unterhalt oder Fürsorge zu gewähren, kann den geschiedenen Ehepartner in den begünstigten Personenkreis einbeziehen.

Zumindest bei Ehepartnern, die die Scheidung beabsichtigen oder bei bereits getrennt lebenden Ehepartnern wird diese Verbundenheit zu unterstellen sein. Familienangehörige müssen auch nicht im Haushalt des Vermieters mehr leben, um zum begünstigten Personenkreis zu gehören (Palandt 58. Aufl. § 573 Rn. 27).

c. Eheleute sind rechtskräftig geschieden

Sobald die Ehepartner rechtskräftig geschieden sind, dürfte die persönliche Verbundenheit aufgelöst sein. Eine Eigenbedarfskündigung wird in diesem Fall kaum mehr zu begründen sein.

Ob und inwieweit eine durch die Scheidung begründete Unterhaltsverpflichtung des Vermieters gegenüber dem Ehepartner eine Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigen kann, ist soweit ersichtlich, richterlich nicht entschieden. Grundsätzlich sollte dies jedoch möglich sein.

5. Rechtsprechung in Einzelfällen

  • Nach einer Entscheidung des LG Heidelberg (Urteil v. 14.12.2012, 5 S 42/12) genügt jedenfalls die ernsthafte Absicht des Vermieters, eine räumliche Trennung von seinem Ehegatten herbeizuführen und künftig ohne den Ehegatten in der vermieteten Wohnung wohnen zu wollen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass die Ehegatten innerhalb ihrer bisherigen Ehewohnung eine Trennung im familienrechtlichen Sinne bereits vollzogen haben oder dass sie die Scheidung beabsichtigen oder diese gerichtlich beantragt haben. Sofern die Ehegatten sich ernsthaft entschieden haben, sich zu trennen und ihre häusliche Gemeinschaft zumindest vorläufig aufzuheben, wird dieser Umstand als vernünftig und nachvollziehbar anzuerkennen sein.
  • Gleichermaßen entschied das LG Köln (Urteil v. 22.8.1996, Az.: 1 S 27/96): Steht die räumliche Trennung der Ehepartner noch aus, muss der Vermieter die Trennungsabsicht vor Gericht allerdings nachweislich belegen. Kann er dies nicht, setzt er sich dem Verdacht des vorgeschobenen Eigenbedarfs aus.
  • Nach einer Entscheidung des LG Frankfurt (Urteil v. 30.5.1995, Az.: 2/11 S 388/94) ist Eigenbedarf begründet, wenn der Vermieter die Wohnräume für den getrennt lebenden Ehegatten benötigt, allerdings nur solange die Ehe noch besteht und Scheidung noch nicht in die Wege geleitet ist.
  • In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des AG Hamburg (Urteil v. 21.7.1995, Az.: 43b C 250/95, Fundstelle: WuM 1996, 39) zu verstehen. Danach ist der geschiedene Ehepartner des Vermieters kein Angehöriger, zu dessen Gunsten er an der vermieteten Wohnung Eigenbedarf geltend machen könnte.
  • Zieht eine Vermieterin zu ihrem Freund und vermietet die Wohnung, kann sie nicht bereits nach sechs Monaten nach Scheitern der Wohngemeinschaft wegen Eigenbedarfs wieder kündigen (AG Winsen WuM 2006, 622).

6. Im Zweifamilienhaus erübrigt sich Eigenbedarfskündigung

Wohnt der Vermieter zusammen mit dem Mieter in einem ein Zweifamilienwohnhaus, kann er das Sonderkündigungsrecht des § 573a BGB geltend machen. Der Vermieter kann das Mietverhältnis ohne berechtigtes Interesse (Eigenbedarf) kündigen, so dass es auf die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung gar nicht erst ankommt.

Lediglich die normale Kündigungsfrist (zum Ablauf des übernächsten auf die Kündigung folgenden Monats) verlängert sich um drei Monate. Wichtig ist, dass die Ehepartner die räumliche Trennung nachhaltig vollziehen. Diese ist Voraussetzung der Scheidung.

7. Eigenbedarfskündigung bei Einzug des Lebensgefährten

Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs seiner Tochter, genügt es, wenn er die Tochter benennt. Er braucht nicht zusätzlich auch den Lebensgefährten zu benennen, wenn er die Kündigung damit rechtfertigt, dass die Tochter mit diesem zusammenziehen möchte und dafür die größere Wohnung des Mieters benötigt. Der Vermieter braucht den Lebensgefährten insbesondere nicht namentlich zu bezeichnen. Es genügt, wenn mit der Angabe der Tochter und ihren Eigenbedarfsbedürfnisses der Kündigungsgrund derart konkretisiert ist, dass ihn der Mieter von anderen Kündigungsgründen unterscheiden kann (BGH Urteil v. 30.4.2014 – VIII ZR 107/13).

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