Eine Eigenbedarfskündigung zu erhalten, ist für jeden Mieter schlimm. Besonders hart trifft es jedoch solche Mieter, die nicht nur ihre eigenen vertrauten vier Wände verlassen, sondern zusätzlich auch noch befürchten müssen, in der näheren Umgebung keine neue Wohnung finden zu können. In solchen Fällen ist die Einlegung eines Widerspruchs für den Mieter oft der letzte Rettungsanker. Die Enttäuschung und Verzweiflung sind dann umso größer, wenn sich herausstellt, dass der Widerspruch keinen Erfolg hat. Oft scheitert ein Widerspruch, obwohl in der gegebenen Situation an sich die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Widerspruch hätten geschaffen werden können. Besonders für den von der Kündigung betroffenen Mieter ist es daher wichtig, sich genau mit den Anforderungen vertraut zu machen, die Gesetz und Rechtsprechung an einen Widerspruch des Mieters im Fall eines angespannten Wohnungsmarktes stellen. Aber auch Vermieter sind gut beraten, sich die entsprechenden Informationen frühzeitig zu verschaffen, um bestenfalls schon im Vorfeld der Kündigung einschätzen zu können, ob die beabsichtigte Kündigung daran scheitern könnte, dass sich die Wohnung in einem Gebiet befindet, in dem der Wohnungsmarkt angespannt ist.
Der folgende Beitrag informiert über alle wichtigen Einzelheiten, die Mieter und Vermieter im Falle einer Eigenbedarfskündigung bei einem angespannten Wohnungsmarkt kennen sollten.
I. Eigenbedarfskündigung ist auch bei angespannten Wohnungsmärkten wirksam
II. Fehlender Ersatzwohnraum kann den Mieter zum Widerspruch berechtigen
1. Folgenschwerer Fehler von Mietern – Verweis auf angespannten Wohnungsmarkt allein genügt nicht
2. Voraussetzungen für Widerspruch wegen fehlenden Ersatzwohnraums
3. Einlegung des Widerspruchs
1. Mietaufhebungsvertrag mit längerer Räumungsfrist
2. Gerichtliche Räumungsfrist
3. Vollstreckungsschutz
I. Eigenbedarfskündigung ist auch bei angespannten Wohnungsmärkten wirksam
Der Umstand, dass sich die Wohnung, die der Vermieter künftig selber nutzen möchte, in einem Gebiet befindet, in dem der Wohnungsmarkt angespannt ist, hat – ebenso wie die fehlende Möglichkeit des Mieters, Ersatzwohnraum zu finden – auf die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung keinen Einfluss. Diese unterliegt allein den in § 573 Abs.2 Nr.2 BGB genannten Voraussetzungen und ist – sofern dem Vermieter keine formalen Fehler unterlaufen und kein Kündigungsausschluss vorliegt – grds. wirksam, wenn die Wohnung von einer durch § 573 Abs.2 Nr.2 BGB begünstigten zulässigen Bedarfsperson genutzt werden soll und der Vermieter einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für seinen Nutzungswunsch vorweisen kann (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988 – VIII ARZ 4/87). Persönliche Belange des Mieters und die Folgen, die die Kündigung für diesen haben kann, spielen bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung keine Rolle.
II. Fehlender Ersatzwohnraum kann den Mieter zum Widerspruch berechtigen
Da der Gesetzgeber niemals einseitig nur den durch eine gesetzliche Regelung Begünstigten im Auge hat, sondern stets einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen herbeizuführen versucht, ist auch der Mieter ganz besonders dann, wenn ihm durch die Kündigung Wohnungslosigkeit droht, einer Eigenbedarfskündigung nicht schutzlos ausgesetzt. Das Gesetz gibt ihm durch §§ 574 ff. BGB ein Mittel an die Hand, durch das er in bestimmten Härtefällen vom Vermieter die – in der Regel allerdings nur zeitweise – Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. In § 574 Abs.1 BGB heißt es dementsprechend, dass der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Auch wenn der Gesetzgeber den Kreis möglicher Härtegründe nicht gesetzlich eingeschränkt und grds. auch keine Angaben dazu macht, wann er eine bestimmte Situation als Härtefall einordnet, macht er von diesem Grundsatz allerdings in dem besonders häufig vorkommenden Fall fehlenden Ersatzwohnraums eine Ausnahme. In § 574 Abs.2 BGB ist daher bespielhaft aufgeführt, wann ein Härtefall insbesondere vorliegen kann. Dort heißt es dementsprechend, dass eine Härte vorliegt, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Was bei einem auf § 574 Abs.2 BGB gestützten Widerspruch des Mieters besonders zu beachten ist, soll im Folgenden ausgeführt werden.
1. Folgenschwerer Fehler von Mietern – Verweis auf angespannten Wohnungsmarkt allein genügt nicht
Das Mietrecht enthält zum Schutz des Mieters einige Vorschriften, die die Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes erfordern, damit sie zur Anwendung kommen. Bei diesen Vorschriften handelt es sich zum einen um § 556d BGB, der die jeweilige Landesregierung in Abs.2 ermächtigt, bestimmte Gebiete zu einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt zu erklären und damit die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Mietpreisbremse zu schaffen. Auch § 558 Abs.3 BGB, der die – in der Regel auf 20 % festgesetzte – sog. Kappungsgrenze bei einer Mieterhöhung enthält, ermächtigt die Landesregierung in seinen Sätzen 3 und 4, die Kappungsgrenze durch Rechtsverordnung auf 15 % abzusenken, wenn festgestellt wurde, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist. In vergleichbarer Weise wird der Mieter im Falle eines angespannten Wohnungsmarktes durch § 577a Abs.2 BGB besonders dadurch geschützt, dass die in der Regel dreijährige Kündigungssperrfrist, die gem. § 577a Abs.1 und 1a) BGB gilt, wenn eine Wohnung nach der Umwandlung in Wohnungseigentum veräußert oder von einer Erwerbermehrheit erworben wird, durch Rechtsverordnung auf bis zu 10 Jahre verlängert werden kann.
In jedem Bundesland gibt es entsprechende Mietpreisbegrenzungsverordnungen, Kappungsgrenzenverordnungen und Verordnungen über die Verlängerung der Kündigungssperrfrist, in denen viele Gebiete als solche mit einem angespannten Wohnungsmarkt ausgewiesen sind. Vielen Mietern, die einen Widerspruch wegen fehlenden Ersatzwohnraums einlegen, unterläuft der oft folgenschwere Fehler, zur Begründung ihres Widerspruchs lediglich auf den (ggf. durch Verordnung festgestellten) angespannten Wohnungsmarkt zu verweisen und es zu unterlassen, konkrete eigene Bemühungen zu unternehmen, Ersatzwohnraum zu finden.
Auch einige Gerichte begnügen sich mit dem Hinweis darauf, der angespannte Wohnungsmarkt sei gerichtsbekannt, damit, bei ihrer Entscheidung über die Wirksamkeit des Widerspruchs auf einen Vortrag des Mieters zu seiner Ersatzwohnraumsuche oder aber auf eine entsprechende Beweiserhebung zu verzichten, wenn es eine Mietpreisbegrenzungsverordnung, eine Kappungsgrenzenverordnung und / oder eine Verordnungen über die Verlängerung der Kündigungssperrfrist gibt, mit der bzw. denen eine entsprechende Mangellage festgestellt wurde (vgl. z. B. LG Berlin, Urteil vom 09.05.2018 – 64 S 176/17; ähnlich auch LG Berlin II, Urteil vom 25.01.2024 – 67 S 264/22 –, das tatsächliche erfolglose Bemühungen des Mieters allerdings mit einbezieht). Andere Gerichte wiederum sehen die Unmöglichkeit des Mieters, Ersatzwohnraum zu finden, im Falle eines unstreitig vorhandenen angespannten Wohnungsmarktes zwar nicht automatisch als erwiesen an, gehen aber zu Gunsten des Mieters von einer Beweiserleichterung im Sinne eines sog. Anscheinsbeweises zunächst erst einmal davon aus, dass Ersatzwohnraum im Regelfall nicht zu finden ist, mit der Folge, dass der Vermieter Tatsachen vortragen und beweisen muss, die diese Vermutung erschüttern (vgl. LG Berlin, Urteil vom 25.01.2018 – 67 S 272/17-, das die Beweiserleichterung allerdings nur in Betracht zieht und auf ein Urteil des LG Berlin vom 09.03.2017 – 67 S 7/17- verweist, das den Anscheinsbeweis allerdings in einem anderen Zusammenhang anwendet).
Den Fehler, sich bei einem durch Verordnung festgestellten und / oder gerichtsbekannten angespannten Wohnungsmarkt gar nicht erst um Ersatzwohnraum zu bemühen oder hierzu im Widerspruchsschreiben keine Angaben zu machen, sollte dennoch kein Mieter begehen und sich auch nicht darauf verlassen, dass ein Gericht in einem etwaigen Räumungsrechtsstreit auf eine Ersatzwohnraumsuche oder eine entsprechende Beweiserhebung verzichtet. Der BGH hat der Zulässigkeit einer entsprechenden Vorgehensweise nämlich mit Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18 – eine eindeutige Absage erteilt. In dieser Entscheidung führt das Karlsruher Gericht insoweit aus:
„Der Härtegrund des zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffenden Ersatzwohnraums ist nicht bereits dann gegeben, wenn im Gemeindegebiet gerichtsbekannt eine angespannte Wohnlage herrscht, die auch zum Erlass von diesem Umstand Rechnung tragenden Verordnungen geführt hat. Eine festgestellte und/oder in Verordnungen zugrunde gelegte angespannte Wohnlage kann allenfalls ein gewisses Indiz für das Vorliegen eines Härtegrunds nach § 574 Abs.2 BGB darstellen, das in Verbindung mit substantiiertem (unstreitigem oder nachgewiesenem) Parteivortrag zu konkret ergriffenen Maßnahmen zu der tatrichterlichen Überzeugung führen kann, dass angemessener Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen für den Mieter (und seine Familien- oder Haushaltsangehörigen) nicht zu erlangen ist.“
Im Folgenden wird daher beschrieben, unter welchen genauen Voraussetzungen ein Widerspruch wegen fehlenden Ersatzwohnraums erfolgreich sein kann und welche Anforderungen an die gem. § 574 Abs.2 BGB erforderliche Ersatzwohnraumsuche des Mieters zu stellen sind.
2. Voraussetzungen für Widerspruch wegen fehlenden Ersatzwohnraums
Gem. § 574 Abs.2 BGB liegt eine grds. zum Widerspruch berechtigende Härte vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Dieser kurze Satz enthält gleich drei wichtige Tatbestandsmerkmale, die auch im Falle eines angespannten Wohnungsmarktes beachtet werden müssen, und mit denen der Mieter zwar einerseits in die Pflicht genommen wird (vgl. dazu die Ausführungen unter II. 2a)), seine Pflicht aber zu seinem Schutz auch eingeschränkt wird (vgl. dazu die Ausführungen unter II.2b)). Und auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs.2 BGB erfüllt sind, hat der Mieter mit seinem Widerspruch nur Erfolg, wenn außerdem die gem. § 574 Abs.1 S.1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfällt (vgl. dazu die Ausführungen unter II.2c)).
a) Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche
Der Mieter kann sich auf den fehlenden Ersatzwohnraum nur berufen, wenn er sich auch tatsächlich ernsthaft und nachhaltig sowie rechtzeitig bemüht hat, Ersatzwohnraum zu finden. Als rechtzeitig werden entsprechende Bemühungen allerdings nur dann angesehen, wenn der Mieter mit ihnen direkt nach dem Zugang der Kündigung begonnen hat (vgl. LG München II, Beschluss vom 29.09.2020 – 12 T 3267/20 -, beachte aber LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 17.02.2020 – 64 S 160/19 -, wonach der Mieter die Ersatzwohnraumsuche jedenfalls so lange zurückstellen darf, wie er mit guten Gründen keine ernsthaften Zweifel daran hat, dass sein Widerspruch aus anderen Gründen Erfolg haben wird). Die Pflicht zur Ersatzwohnraumsuche besteht auch dann, wenn der umliegende Wohnungsmarkt angespannt ist und der Mieter keine Erfolgschancen sieht (vgl. dazu die Ausführungen unter II.1.) Welche Anforderungen an diese Ersatzwohnraumsuche zu stellen sind, hängt insbesondere von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters ab (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18). In der Regel ist es jedem Mieter zuzumuten, Inserate sowohl in den Printmedien als auch im Internet zu verfolgen und ggf. auch selbst zu schalten. Auch das Einschalten von Verwandten und Bekannten sowie die Kontaktaufnahme zu öffentlichen und privaten Stellen bzw. Wohnungsunternehmen kann grds. erwartet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18). Bei entsprechend stabilen finanziellen Verhältnissen kann auch die Einschaltung eines Maklers zumutbar sein. Ist der Mieter z. B. durch eine Krankheit an der Ersatzwohnraumsuche gehindert, können die Anforderungen, die an die Ersatzwohnraumsuche zu stellen sind, zwar im Einzelfall heruntergeschraubt werden, lässt die Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche allerdings nicht vollständig entfallen, zumal es dem Mieter obliegt, öffentliche oder private Stellen und oder Verwandte und Bekannte einzuschalten und um Hilfe zu bitten. Die Ersatzwohnraumsuche muss außerdem mit hinreichender Intensität betrieben werden. Von nachhaltigen Bemühungen, Ersatzwohnraum zu finden, kann daher nicht ausgegangen werden, wenn diese nur gelegentlich erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18).
b) Wohnung muss angemessen und zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen sein
Auch wenn das Gesetz den Mieter zur Ersatzwohnraumsuche verpflichtet, verlangt es von ihm nicht, sich mit jeder beliebigen Wohnung zufrieden zu geben. Es schränkt seine Pflicht vielmehr dahingehend ein, dass der Mieter nur nach solchen Wohnungen suchen muss, die für ihn angemessen und außerdem zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen sind.
aa) Angemessenheit
Durch das Kriterium der Angemessenheit soll sichergestellt werden, dass der Mieter seinen bisherigen Lebensstandard in etwa beibehalten kann. Eine Ersatzwohnung ist daher nur dann angemessen, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entspricht. Dabei sind die Lebensführung des Mieters und seine persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse maßgebend. Die Wohnung muss allerdings dem bisherigen Wohnraum weder hinsichtlich ihrer Größe noch hinsichtlich ihres Zuschnitts oder ihrer Qualität noch bzgl. des Mietzinses vollständig entsprechen. Gewisse Einschnitte sind dem Mieter durchaus zuzumuten (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 144/19; LG Bremen, Urteil vom 22.05.2003 – 2-S-315/02-, das eine 3-Zimmerwohnung für ein Rentnerehepaar als angemessen angesehen hat, obwohl dieses zuvor in einem Haus mit Garten wohnte).
Hinweis für betagte oder pflegebedürftige Mieter:
Ist ein Platz in einem Altersheim oder einer Pflegeeinrichtung frei, muss sich auch ein betagter bzw. pflegebedürftiger Mieter grds. nicht darauf verweisen lassen, er habe Ersatzwohnraum in einer entsprechenden Einrichtung finden können (vgl. OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 03.07.1970 – 1 REMiet 1/70).
Was die Lage der Ersatzwohnung betrifft, sind grds. nicht nur solche Wohnungen angemessen, die in dem bisherigen Wohngebiet des Mieters liegen (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 09.01. 2003 – 307 S 118/02). Wohnungen, die außerhalb der bisherigen Gemeinde liegen, darf der Mieter zwar in der Regel außer Acht lassen. Er muss bei der Ersatzwohnraumsuche aber auch andere Gebiete innerhalb derselben Gemeinde einbeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18). Dass sich durch den Umzug in die Ersatzwohnung ggf. Wege zur Schule, zur Kita, zum Arbeitsplatz oder zu Freunden und Bekannten verlängern, muss der Mieter grds. hinnehmen (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 04.08.2009 – 49 C 100/08– bzgl. des Schulweges). Zu einer Einschränkung des Gebietes, auf das die Ersatzwohnraumsuche zu erstrecken ist, kann es allerdings kommen, wenn der Mieter z. B. pflegebedürftig ist und die Nähe zu pflegenden Angehörigen zur Sicherung des Lebensstandards erhalten werden muss (vgl. LG Berlin, Urteil vom 25.01.2018 – 67 S 272/17).
bb) Zumutbare Bedingungen
Zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen ist eine Ersatzwohnung grds. nur dann, wenn der Mieter auf Grund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Miete für die Ersatzwohnung zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 144/19). Leben im Haushalt weitere Personen, die Einkünfte erzielen, sind auch deren Einkäufe in der Regel mit in das Haushaltseinkommen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18). Könnte der Mieter die finanziellen Mittel zwar aufbringen, müsste er im Gegenzug dafür aber in anderen wichtigen Lebensbereichen unzumutbare Einsparungen machen, z. B. seinen Pkw abschaffen, den er beruflich benötigt, sind die Bedingungen für die Anmietung der Ersatzwohnung nicht zumutbar i. S. d. § 574 Abs.2 BGB (vgl. Häublein, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Auflage, § 574 BGB Rn.13). Hat der Mieter einen Anspruch auf Sozialleistungen, wie z. B. auf Wohngeld oder auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Bürgergeldes (vgl. § 22 SGB II) oder der Sozialhilfe (vgl. § 35 SGB XII), werden entsprechende Ansprüche in die Berechnung mit einbezogen, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter die Leistungen tatsächlich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18).
Besonders dann, wenn der Wohnungsmarkt angespannt ist, ist damit zu rechnen, dass die Miete für eine vergleichbare Ersatzwohnung oberhalb derjenigen liegt, die der Mieter bisher gezahlt hat. Dieser Umstand allein führt allerdings noch nicht dazu, annehmen zu können, dass die Ersatzwohnung nicht zu zumutbaren Bedingungen beschafft werden kann. Der Mieter kann nicht verlangen, nur solche Wohnungen miteinbeziehen zu müssen, für die er keine höhere als die bisherige Miete zahlen muss (vgl. LG Bremen, Urteil vom 22.05.2003 – 2-S-315/02). Gewisse Mietsteigerungen muss der Mieter hinnehmen, sofern er über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Liegt die Miete für die Ersatzwohnung allerdings deutlich über der ortsüblichen Miete bzw. würde die durch die Mietpreisbremse gem. § 556d Abs.1 BGB gesetzte Grenze (10 % oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete) überschritten, sind die Mietbedingungen nicht mehr als zumutbar i. S. d. § 574 Abs.2 BGB einzustufen (vgl. LG Bremen, Urteil vom 22.05.2003 – 2-S-315/02-, das die Grenze vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse allerdings bei der ortsüblichen Vergleichsmiete ohne den Zuschlag in Höhe von 10 % setzte).
Ergeben sich aus der Höhe der Miete keine unzumutbaren Mietbedingungen, müsste der Mieter aber in der näheren Zukunft einen doppelten Umzug finanzieren, weil die Ersatzwohnung nur befristet zur Verfügung steht, muss sich der Mieter nicht darauf verweisen lassen, es stünde Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung (vgl. Hartmann, Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Auflage, § 574 BGB Rn.36).
c) Interessenabwägung muss zu Gunsten des Mieters ausfallen
Auch wenn die Ersatzwohnraumsuche gerade dann, wenn der Wohnungsmarkt in der gesamten Gemeinde angespannt ist, in der Tat oft erfolglos bleibt, so dass ein Härtefall bejaht werden kann, bedeutet dies noch lange nicht, dass das Vorliegen dieser Härte den Mieter auch zwangsläufig zum Widerspruch berechtigt. § 574 Abs.1 S.1 BGB macht das Entstehen des Widerspruchsrechts nämlich davon abhängig, dass eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegenüber dem Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses überwiegt.
Ist der Wohnungsmarkt so angespannt, dass dem Mieter durch die Beendigung des Mietverhältnisses Obdachlosigkeit droht, ist dies zwar in die Interessenabwägung einzubeziehen, führt aber nicht automatisch dazu, dass diese zu Gunsten des Mieters ausfällt. Selbst dann, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses gravierende Folgen für den Mieter hat, wiegen die Belange des Vermieters mit Rücksicht auf sein Eigentumsgrundrecht aus Art 14 GG grds. sehr schwer, und zwar umso schwerer, je dringlicher sein Nutzungsbedarf ist. Auch im Falle eines angespannten Wohnungsmarktes und einer drohenden Wohnungslosigkeit des Mieters muss die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grundsätzlich respektiert werden (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 180/18).
Stets beachten sollte der Mieter, vor allem aber auch der Vermieter selbst, allerdings, dass bei der Interessenabwägung gem. § 574 Abs.3 BGGB zu Gunsten des Vermieters nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die im Kündigungsschreiben angegeben sind, sofern sie nicht erst nachträglich (d. h. nach Abgabe der Kündigungserklärung) entstanden sind.
3. Einlegung des Widerspruchs
Auch das noch so astreine Widerspruchsrecht nützt dem Mieter nichts, wenn er den Widerspruch nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend einlegt. Unterlaufen ihm Formfehler oder lässt er die Widerspruchsfrist verstreichen, kann der Widerspruch zumindest dann, wenn der Vermieter in seiner Kündigung auf die Form- und Fristerfordernisse hingewiesen hat und sich auf die Fehler beruft, nach Ablauf der Frist nicht nachgeholt werden (vgl. § 574b Abs.2 S.2 BGB).
Der Mieter sollte daher unbedingt beachten, dass der Widerspruch dem Vermieter im Falle eines entsprechenden Hinweises des Vermieters spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses zugegangen sein muss (vgl. § 574b Abs. 2 S.1 BGB).
Was die vorgeschriebene Form anbetrifft, hat der Gesetzgeber dem Mieter die Einlegung des Widerspruchs durch das sog. Bürokratieentlastungsgesetz IV mit Wirkung zum 1. Januar 2025 erheblich erleichtert. Statt der bisher vorgeschriebenen Schriftform genügt nun die in § 126b BGB geregelte Textform. Der Mieter kann den Widerspruch daher zeit- und kostensparend insbesondere auch per E-Mail, SMS oder Fax, wenn die Voraussetzungen des § 126b BGB im konkreten Fall erfüllt sind, sogar auch per WhatsApp-Nachricht einlegen.
Gerade in Fällen eines angespannten Wohnungsmarktes ist dem Mieter außerdem zu raten, seinen Widerspruch ausführlich zu begründen und genau darzulegen, welche erfolglosen Bemühungen er unternommen hat, Ersatzwohnraum zu finden. Auch wenn die Begründung keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerspruchs ist, können hierdurch nicht nur dem Mieter, sondern auch dem Vermieter kosten- und zeitraubende rechtliche Auseinandersetzungen, ggf. sogar ein gerichtlicher Rechtsstreit erspart bleiben.
Besonders dem Mieter können durch eine rechtzeitige Begründung in einem späteren gerichtlichen Räumungsrechtsstreit auf Grund der in § 93b Abs.2 ZPO geregelten Umkehr der für den Regelfall geltenden Kostenverteilung Kostennachteile erspart bleiben.
III. Sonstige Möglichkeiten des Mieters zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit –Mietaufhebungsvertrag, gerichtliche Räumungsfrist oder Vollstreckungsschutz
Steht dem Mieter kein Widerspruchsrecht zu oder hat er von einem etwaigen Recht nicht (wirksam) Gebrauch gemacht, bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass der Mieter die Wohnung auch tatsächlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist räumen muss. Das Gesetz gibt ihm abgesehen von dem in § 574 BGB geregelten Widerspruchsrecht noch weitere Instrumente an die Hand, seine Wohnungslosigkeit abzuwenden.
1. Mietaufhebungsvertrag mit längerer Räumungsfrist
Gerade in denjenigen Fällen, in denen der Wohnungsmarkt so angespannt ist, dass der Mieter keine Ersatzwohnung findet, besteht durchaus die Möglichkeit, den Vermieter unter Darlegung der Folgen im Falle einer fristgerechten Räumung zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages zu bewegen, in dem u. a. ein späteres Räumungsdatum vereinbart wird. Auch eine isolierte Verlängerung der Räumungsfrist durch den Mieter ist ein geeignetes Mittel, um dem Mieter mehr Zeit für die Wohnungssuche zu geben. Der Mieter sollte sich allerdings im Klaren darüber sein, dass dies in der Regel nur gelingt, wenn der Mieter dem Vermieter im Gegenzug zu dessen Bereitschaft, das Räumungsdatum hinauszuschieben, eine Gegenleistung anbietet. Da Vermieter in der Regel lange gerichtliche Auseinandersetzungen scheuen und ein Räumungsurteil oft ohnehin erst nach dem Kündigungstermin vorliegt, genügt als Anreiz oft schon die Bereitschaft des Mieters, zu dem vereinbarten späteren Zeitpunkt ohne Widerstand auszuziehen.
Alle wichtigen Informationen zum Mietaufhebungsvertrag finden Sie in unserem Beitrag “Mietaufhebungsvertrag statt Eigenbedarfskündigung: Wann macht das Sinn?“.
2. Gerichtliche Räumungsfrist
Lässt sich der Vermieter nicht erweichen und erhebt eine Räumungsklage, kann der Mieter u. U. auch gegen den Willen des Vermieters die Gewährung einer Räumungsfrist durch das zuständige Gericht erreichen. Dieses Recht gibt ihm § 721 Abs.1 S.1, Abs.5 ZPO, wonach das Gericht dem Mieter auf Antrag oder von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene (höchstens aber ein Jahr dauernde) Räumungsfrist gewähren kann, wenn auf Räumung von Wohnraum erkannt wird.
Gerade im Falle eines angespannten Wohnungsmarktes und einer drohenden Wohnungslosigkeit stehen die Chancen des Mieters nicht schlecht, dass die im Rahmen des § 721 ZPO durchzuführende Interessenabwägung (vgl. zu diesem Erfordernis: AG Mannheim, Urteil vom 14.08.2009 – 14 C 29/09; OLG Hamm, Urteil vom 25.10.1994 – 28 U 40/94; LG Mannheim, Beschluss vom 26.11.1992 – 4 T 314/92) zu seinen Gunsten ausfällt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung wird nämlich insbesondere berücksichtigt, ob dem Mieter eine Ersatzwohnung zur Verfügung steht(vgl. AG Mannheim, Urteil vom 14.08.2009 – 14 C 29/09). Auch wenn keine zumutbare Ersatzwohnung zur Verfügung steht, bedeutet dies allerdings nicht zwangsläufig, dass die Räumungsfrist gewährt wird (vgl. LG Tübingen, Beschluss vom 07.05.2015 – 1 T 38/15). Auch in solchen Fällen können nämlich die Interessen des Vermieters z. B. dann überwiegen, wenn die Zahlung der laufenden Nutzungsentschädigung während der Räumungsfrist nicht gewährleistet ist (vgl. AG Brandenburg, Anerkenntnis- und Endurteil vom 10.09.2018 – 31 C 34/18). Hat der Mieter sich gar nicht erst bemüht, Ersatzwohnraum zu finden, kommt die Einräumung einer Räumungsfrist grds. nicht in Betracht (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 03.11.2023 – 311 S 25/23; AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 17.10.2022 – 105 C 191/22).
3. Vollstreckungsschutz
Hat der Mieter keine Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die Einlegung eines Widerspruches erreichen können und wurde ihm auch weder durch den Vermieter noch durch das Gericht eine Räumungsfrist gewährt, hat er noch eine allerletzte Möglichkeit, der Pflicht zur Räumung zwar nicht zu entkommen, den Räumungstermin aber hinauszuschieben. Hat der Vermieter die Vollstreckung aus einem von ihm erwirkten Räumungsurteil beantragt oder droht er, dies zu tun, kann der Mieter nämlich gem. § 765a Abs.1 S.1 ZPO beim Vollstreckungsgericht beantragen, dass die ggf. bereits begonnene Räumungsmaßnahme ganz oder teilweise aufgehoben, untersagt oder einstweilen eingestellt wird. Die Voraussetzungen, die hierfür vorliegen müssen, sind allerdings streng und sind nur dann erfüllt, wenn die Räumung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Vermieters wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Dass dem Mieter wegen des angespannten Wohnungsmarktes keine Ersatzwohnung zur Verfügung steht und ihm ggf. Obdachlosigkeit droht, lässt die Räumung allerdings nicht als sittenwidrige Härte erscheinen. Die Obdachlosigkeit zu verhindern, obliegt dann nämlich den zuständigen Ordnungsbehörden, die auf Grund der jeweiligen Ordnungsgesetze befugt sind, den Mieter entweder in eine Ersatzwohnung einzuweisen oder in einer Obdachlosenunterkunft unterzubringen (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.2020 – 19 T 294/20). Eine sittenwidrige Härte setzt in der Regel eine drohende Lebens- oder schwerwiegende Gesundheitsgefahr voraus, die nicht anders abgewendet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.07.2011 − V ZB 48/10).
IV. Fazit und Zusammenfassung
- Wurde dem Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt, hat der Umstand, dass sich die Wohnung in einem Gebiet befindet, in dem der Wohnungsmarkt angespannt ist, auf die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung keinen Einfluss.
- Dem Mieter steht allerdings ein Widerspruchsrecht zu, das ihm einen Anspruch auf (zeitweise) Fortsetzung des Mietverhältnisses verleiht, wenn
- der Mieter trotz ausreichender Bemühungen keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen finden kann und
- eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegenüber dem Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses überwiegt.
- Dass sich die Wohnung des Mieters in einem Gebiet befindet, in dem der Wohnungsmarkt angespannten ist, genügt für die Entstehung des Widerspruchsrecht selbst dann nicht, wenn dies durch Verordnung festgestellt oder gerichtsbekannt ist. Auch in diesen Fällen muss der Mieter konkrete eigene Bemühungen unternehmen, Ersatzwohnraum zu finden.
- Kann der Mieter keine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf Grund eines wirksam eingelegten Widerspruchs erreichen, sollte er versuchen,
- den Vermieter z. B. im Rahmen des Abschlusses eines Mietaufhebungsvertrages zur Gewährung einer längeren Räumungsfrist zu bewegen,
- die Einräumung einer gerichtlichen Räumungsfrist zu erwirken oder
- Vollstreckungsschutz zu beantragen, der allerdings nicht allein deshalb gewährt werden kann, weil der Mieter keinen Ersatzwohnraum findet.
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