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Gewerbemietvertrag: Ist die Schriftform im Gewerbemietrecht zwingend?

Juristen sind schlau: Nicht umsonst beanstanden sie, dass immer wieder vertragliche Absprachen getroffen werden, die aber nicht schriftlich festgehalten werden. Im Streitfall lässt sich nichts beweisen.

Normalerweise können Verträge mündlich, stillschweigend oder durch schlüssiges Handeln zustande kommen. Auch ein Gewerbemietvertrag kann durchaus mündlich vereinbart werden.

Aber: Das Gesetz bestraft diejenigen, die meinen, auf die Schriftform verzichten zu können. Nach § 550 BGB gilt ein Mietvertrag als für unbestimmte Zeit abgeschlossen, wenn er für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wird. Diese Vorschrift des Wohnraummietrechts findet über § 578 BGB auch auf Gewerbemietverträge Anwendung.

Fehlende Schriftform führt ins Risiko einer Kündigung

Wird die durch § 550 BGB vorgegebene Schriftform nicht berücksichtigt, ist der Mietvertrag zwar wirksam, aber einem erheblichen Risiko ausgesetzt. Ein solcher nicht schriftlich abgeschlossener und über ein Jahr laufender Mietvertrag ist nämlich vorzeitig kündbar. Beide Vertragsparteien sind dann nicht mehr an die eventuell vertraglich vereinbarte Mietdauer gebunden.

Wird die Schriftform nicht eingehalten, ist der Mietvertrag zwar nicht unwirksam. Er gilt dann lediglich als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfristen ist er dann zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietobjekts kündbar. Somit darf sich jede Vertragspartei auch noch Jahre nach dem Abschluss eines Mietvertrages auf die fehlende Schriftform berufen, ohne dass die andere Partei einwenden kann, die Kündigung sei treuwidrig.

Die Berufung auf die fehlende Schriftform kann treuwidrig sein

Eine Berufung auf die fehlende Schriftform ist allenfalls in Ausnahmefällen treuwidrig. Beide Parteien sind als Vertragspartner verpflichtet, auf die Interessenlage der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Ihnen obliegt eine Treuepflicht.

Die Gerichte haben hierzu 3 Fallgruppen erarbeitet. Danach kann eine Kündigung

  1. treuwidrig sein, wenn sie die Existenz der gekündigten Partei gefährdet (BGH NJW 2006, 105).
  2. Eine weitere Fallgruppe besteht darin, dass der Kündigende eine ihm eigentlich rechtlich vorteilhafte Klausel im Mietvertrag zum Anlass nimmt, sich von einem in der Zwischenzeit lästig gewordenen Mietvertrag zu befreien (BGH WM 1975, 824).
  3. Treuwidrig kann die Kündigung auch dann sein, wenn die Parteien in einem schriftlichen Mietvorvertrag den Abschluss eines langfristigen Mietvertrages besprochen haben, ohne diesen dann selbst schriftlich abzuschließen (BGH NJW 2007, 1818). Der Mietvorvertrag unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis.

Gründe des Schriftformerfordernisses

Es gibt 3 gute Gründe für den Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses. In erster Linie hat es eine Warn- und Beweisfunktion. Die Parteien sollen vor unüberlegten und übereilten vertraglichen Verpflichtungen geschützt werden. Außerdem sollen die Absprachen über den Inhalt des Mietvertrages beweisbar sein (BGH NZM 2008, 482).

Nicht zuletzt soll der potentielle Erwerber der Immobilie in der Lage sein, sich zuverlässig über das Bestehen und den Inhalt langfristiger Mietverträge zu informieren (BGH ZMR 2008, 484). Schließlich tritt er kraft Gesetzes in bestehende Mietverträge ein („Kauf bricht nicht Miete“).

Details zum Schriftformerfordernis

  • Maßgeblich für die Schriftform ist die Vorschrift des § 126 BGB. Danach muss ein Mietvertrag von beiden Vertragsparteien auf derselben Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Alternativ kann ein Notar die Unterschriften auch beglaubigen.
  • Werden über den Mietvertrag mehrere gleichlautende Urkunden erstellt, so genügt es, wenn jede Partei die für die jeweils andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
  • Sofern nur eine von mehreren erstellten Urkunden von allen Vertragsparteien unterschrieben ist, während die übrigen Urkunden die Unterschrift nur eines Vertragspartners tragen, genügt auch dies dem Schriftformerfordernis. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vollständig unterzeichnete Urkunde dem Mieter oder dem Vermieter übergeben wird.
Im Idealfall sollten beide Parteien jeweils über ein vollständig unterschriebenes Exemplar des Mietvertrages verfügen können. Nur so lassen sich Beweisprobleme zuverlässig vermeiden.

Schriftformerfordernis erfordert Angabe aller wesentlichen Vertragsbestandteile

Das Schriftformerfordernis hat weiterhin zur Voraussetzung, dass alle wesentlichen Vertragsbestandteile erfasst sind. Als wesentliche Vertragsbestandteile werden die Bezeichnung der Vertragsparteien, der Mietgegenstand, die Miethöhe und die Dauer des Mietvertrages vorgegeben (BGH NJW 2008, 2181). Bei diesen Inhalten handelt es sich auch um die Mindestbedingungen, in die der Erwerber einer Immobilie durch den Kauf in den Mietvertrag eintritt.

Urkundeneinheit mehrerer Urkunden, Anlagen, Nachträge

Wenn die Schriftform auch für einen Gewerbemietvertrag vorgegeben wird, bedeutet dies aber noch nicht, dass alle Vereinbarungen zwingend in einer einzigen Vertragsurkunde enthalten sein müssen. Es genügt vielmehr, dass sich der gesamte Inhalt des Mietvertrages aus dem Zusammenwirken verschiedener Urkunden ohne Zweifel ergibt und diese Urkunden ihren Zusammenhalt in geeigneter Weise kenntlich machen. Sie bilden dann eine Urkundeneinheit (sogenannte Auflockerungsrechtsprechung).

Es genügt also, wenn die Urkunden fortlaufend durch Seitenzahlen gekennzeichnet sind, einzelne Bestimmungen fortlaufend nummeriert sind, Nachträge und Anlagen ausdrücklich auf den Hauptvertrag Bezug nehmen oder umgekehrt der Hauptvertrag ausdrücklich auf Anlagen verweist. Eine körperliche Verbindung aller Urkunden wird nicht gefordert (BGH NJW 2008, 2178). Im Idealfall sollten jedoch alle Absprachen in einer einheitlichen Urkunde zusammengefasst sein. Dies erspart Unstimmigkeiten. Kompromisse und Nachlässigkeiten rächen sich allzu oft.

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