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Eigenbedarf: Zwangsräumung nach Eigenbedarfskündigung

Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt, zieht der Mieter im Idealfall fristgerecht aus. Weigert sich der Mieter rechtzeitig oder überhaupt auszuziehen, muss der Vermieter die Wohnung wohl oder übel zwangsräumen. Er muss den gleichen Weg beschreiten, als wenn er die Wohnung aus sonstigen Gründen gekündigt hätte.

1. Selbstjustiz ist verboten

Keinesfalls sollte der Vermieter Selbstjustiz üben, etwa die Schlösser zu den Räumlichkeiten austauschen oder den Mieter mittels körperlicher Gewalt vor die Tür setzen. Er setzt sich mindestens dem Risiko des Hausfriedensbruchs und der Nötigung aus (vgl. BGH Urt.v.14.7.2010, VIII ZR 45/09).

2. Zwangsräumung erfordert Vollstreckungstitel

Voraussetzung für eine Zwangsräumung ist auch bei einer Eigenbedarfskündigung ein vollstreckbarer Titel.

Nach § 940a I ZPO ist die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung nur möglich, wenn der Mieter verbotene Eigenmacht begeht (z.B. er verschafft sich nach erfolgter Räumung erneut Zutritt zur Wohnung) oder wenn konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestehen sollte (Einsturzgefahr).

1. Ein solcher Titel kann ein gerichtliches Räumungsurteil sein, in dem das zuständige Amtsgericht oder das in 2. Instanz zuständige Landgericht den Mieter verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der von ihm bewohnten Wohnung auszuziehen.

2. Ein vollstreckbarer Titel ist auch ein vor einem Amts- oder Landgericht geschlossener Vergleich, in dem sich der Mieter verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt die von ihm bewohnte Wohnung zu räumen.

3. Kein vollstreckbarer Titel ist hingegen die notariell beurkundete Erklärung des Mieters, er werde seine Wohnung räumen (§ 794 I Nr. 5 ZPO). Gleiches gilt für einen Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO).

Notarielle Urkunden oder Anwaltsvergleiche sind nur bei gewerblichen Mietverhältnissen vollstreckbare Räumungstitel.

4. Auch ein bloßer zwischen den Parteien vereinbarter Aufhebungsvertrag ist nicht vollstreckbar. Wenn der Mieter dann nicht fristgerecht auszieht, bleibt der Vermieter gezwungen, Räumungsklage zu erheben und einen gerichtlichen Räumungstitel herbeizuführen.

3. Ablauf der Zwangsräumung

a. Drei Wochen Ankündigungsfrist

Der Gerichtsvollzieher ist verpflichtet, die Zwangsräumung gegenüber dem Mieter schonend und kostengünstig zu gestalten. Dazu muss er die Räumung mindestens 3 Wochen vorher ankündigen, so dass sich der Mieter darauf einstellen kann (§ 180 II Geschäftsanweisung für GVZ).

b. Gerichtsvollzieher darf Gewalt anwenden

Grundlage der Zwangsräumung ist dann §§ 758, 885 ZPO. Danach hat der Gerichtsvollzieher den nicht freiwillig aus der Wohnung ausziehenden Mieter „aus dem Besitz zu setzen“ und den Vermieter „in den Besitz einzuweisen“.

Aufgrund des Räumungstitels ist die Gerichtsvollzieher berechtigt, sich auch gegen den Willen des Mieters Zugang zur Wohnung zu verschaffen (§ 758 II ZPO). Er benötigt keine zusätzliche richterliche Androhung oder Anordnung mehr. Notfalls darf er Gewalt anwenden und polizeiliche Unterstützung hinzuziehen (§ 758 III ZPO). Soweit die Vollstreckung zur Nachtzeit oder an Sonn- oder Feiertagen erfolgen soll, ist eine eigenständige richterliche Anordnung erforderlich.

c. Gemeinde kann Mieter in die Wohnung zwangseinweisen

Zugleich muss der Gerichtsvollzieher die Stadtverwaltung benachrichtigen, um eine eventuelle Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden. Gegebenenfalls wird der Mieter in eine städtische Wohnung eingewiesen.

Verfügt die Gemeinde über keine Notunterkunft, kann sie den Mieter in die Wohnung des Vermieters wiederum einweisen. Dadurch entsteht zwischen Vermieter und Gemeinde ein Nutzungsverhältnis, für das die Gemeinde eine an der bisher gezahlten Miete orientierte Nutzungsentschädigung bezahlen muss.

Dadurch kann es passieren, dass der Vermieter infolge der Wiedereinweisung des Mieters den Umzug des Mieters zweimal verauslagen muss. So kann es zweckmäßiger sein, den Schuldner bis zur Klärung der Situation nur mit seinen persönlichen Sachen aus der Wohnung zu entfernen und das Mobiliar für etwa zwei Wochen in der Wohnung zu belassen (Hamburger Räumung). Der Räumungstitel bleibt jedoch bestehen.

d. Vermieter muss Speditions- und Verwahrkosten verauslagen

Die Zwangsräumung läuft dann dergestalt ab, dass der Gerichtsvollzieher eine Spedition beauftragt, die Wohnung des Mieters zu räumen und den Hausrat einzulagern, vorausgesetzt, der Mieter ist nicht bereit oder nicht in der Lage, seinen Hausrat zu übernehmen. Soweit der Mieter bereits eine Ersatzwohnung hat, muss der Gerichtsvollzieher den Hausrat dorthin transportieren lassen, sofern der Transportweg nicht wesentlich weiter ist als zu den Verwahrräumen.

Keinesfalls darf der Gerichtsvollzieher den Hausrat auf die Straße stellen. Sofern er den Haushalt dem Mieter nicht übergeben oder in dessen Ersatzwohnung transportieren kann, muss er ihn einlagern. Die dadurch bedingten Verwahrkosten muss der Vermieter vorschussweise ebenfalls verauslagen.

Voraussetzung zur Beauftragung einer Spedition ist jedoch, dass der Vermieter gegenüber dem Gerichtsvollzieher einen Kostenvorschuss leistet. Dieser richtet sich unter anderem nach der Größe der Wohnung und des zu erwartenden Hausrats. Mangels näherer Angaben zur Menge des Hausrats beträgt dieser regelmäßig ca. 5000 €. Zur Kostenreduzierung ist es daher sinnvoll, Kontakt mit dem Schuldner zu suchen und den tatsächlich benötigten Aufwand festzustellen.

Die Einweisung des Vermieters in den Besitz erfolgt dadurch, dass die Haustürschlüssel übergeben oder die Schließzylinder ausgewechselt werden. Damit ist die Räumung im Normalfall beendet.

e. „Frankfurter Räumung“

Bei der sogenannten „Frankfurter Räumung“ benützt der Gerichtsvollzieher zur Einlagerung des Hausrats Räumlichkeiten des Vermieters. Die dem Vermieter dadurch entstehenden Kosten sind als solche der Zwangsvollstreckung ebenfalls durch den Mieter zu erstatten.

4. Vollstreckungsschutzantrag des Mieters

Wünscht der Mieter einer Räumungsfrist, kann er auch noch nach dem Erlass des Räumungsurteils gemäß § 765a ZPO beim Vollstreckungsgericht Vollstreckungsschutz beantragen. Voraussetzung ist, dass die Räumung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien für den Mieter eine besondere persönliche Härte bedeuten würde.

Diesen Antrag muss er spätestens 2 Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin bei Gericht stellen (§ 765a III ZPO). Eine spätere Antragstellung ist nur in engen Ausnahmefällen Erfolg versprechend.

Ob und inwieweit das Gericht eine Räumungsfrist gewährt, ist reine Ermessensentscheidung. Es muss dabei Mieter- und Vermieterinteressen angemessen berücksichtigen. Das Gericht kann die Bewilligung einer Räumungsfrist von der künftig pünktlichen Mietzahlung abhängig machen. Hat der Mieter selbst gekündigt, wird ihm regelmäßig keine Räumungsfrist gewährt (LG Freiburg WuM 1996, 716).

Eine Räumungsfrist ist dem Vermieter nicht zumutbar, wenn er für die Dauer der Frist keine Mietzahlung bzw. Nutzungsentschädigung des Mieters zu erwarten hat (OLG Stuttgart ZMR 2006, 863).

5. Berliner Räumung

Zwangsräumungen kosten Geld. Um die Kosten niedrig zu halten, hat die Praxis verschiedene Verfahrenswege entwickelt. Am erfolgreichsten ist wohl das in Berlin entwickelte sogenannte „Berliner Modell“. Nachdem der BGH dieses Modell für rechtmäßig erklärt hatte (BGH I ZB 135/05) wurde es im Wege der Mietrechtsreform zum 1.5.2013 mit § 885a ZPO ins Gesetz übernommen.

Ist die Räumungsfrist abgelaufen, kann der Vermieter den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der zwangsweisen Räumung der Räumlichkeiten beauftragen. Dazu kann er aufgrund des Mietrechtsreformgesetzes 2013 einen beschränkten Räumungsauftrag erteilen (Berliner Räumung). Dazu tauscht der Gerichtsvollzieher lediglich die Türschlösser aus. Die dem Mieter gehörenden Einrichtungsgegenstände verbleiben in den Räumlichkeiten. Der Gerichtsvollzieher muss das frei sichtbare Mobiliar und die sonstigen Sachen fotografieren. Zur Erstellung einer Inventarliste ist er nicht verpflichtet.

Der Gerichtsvollzieher übergibt die Wohnung sodann dem Vermieter. Dieser kann die Sachen in der Wohnung belassen oder andersartig zwischenlagern. Abfall kann er beseitigen. Beim Zwischenlagern und der Abfallbeseitigung haftet der Vermieter nur für die allgemein übliche Sorgfalt. Werden Gegenstände zerstört, muss sie der Vermieter mangels Vorsatz nicht ersetzen.

Innerhalb eines Monats kann der Mieter vom Vermieter die Sachen zurückverlangen. Danach kann sie der Vermieter mittels einer beachtlichen Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher verwerten.

Dieser Weg hat den Vorteil, dass der Vermieter wegen der Räumungskosten nicht in Vorlage treten muss. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Vermieter auf diesem Weg für bestehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sein gesetzliches Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB geltend machen kann. Dieses erlischt schließlich mindestens faktisch, wenn die Sachen aus den Räumlichkeiten durch den Gerichtsvollzieher entfernt werden (§ 562b 2 BGB).

6. „Kalte Räumung“ ist im Wohnraummietrecht nicht erlaubt

Der Vermieter könnte statt der formalen Räumung durch den Gerichtsvollzieher auch eine „kalte Räumung“ versuchen, indem er einfach die Energiebelieferung einstellt. Aufgrund des beendeten Mietvertrages ist der Vermieter zwar nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet und der Mieter begeht eigentlich selbst verbotene Eigenmacht, wenn er die Räumlichkeiten weiter benutzt.

Da diese Art der Räumung an der Grenze zur Selbstjustiz liegt, wird sie in der Rechtsprechung mindestens kritisch betrachtet. Der Bundesgerichtshof urteilte zwar in einem Fall über Gewerberäume zum Betrieb einer Gaststätte, dass der Vermieter zur Einstellung der Warmwasserheizung berechtigt war (BGH Urt.v. 6.5.2009, Az. XII ZR 137/07).

Allerdings kann diese Rechtsprechung für Gewerberäume nicht auf das Wohnraummietrecht übertragen werden. Hier wird dem Vermieter regelmäßig verbotene Eigenmacht vorgehalten (OLG Saarbrücken Urt.v.25.9.2005, 8 W 204/05). Anders urteilte das LG Berlin (GE 2007, 150) sowie das LG Münster (WuM 2007, 274).

Der vom BGH entschiedene Fall (Urt.v.14.7.2010, VIII ZR 45/09) betraf einen Mieter, der unbekannten Aufenthaltes war, so dass sich der Vermieter veranlasst sah, dessen Wohnung zu betreten. Es ging also nicht direkt um die Einstellung der Energiebelieferung, sondern mehr um den eigenmächtigen Zutritt zur Wohnung.

7. Einstweilige Verfügung gegen Dritte in der Wohnung

Früher hatten Vermieter und Gerichtsvollzieher oft das Problem, dass am Räumungstermin eine dem Vermieter unbekannte Person den Gerichtsvollzieher die Tür öffnete und ernsthaft behauptete, er sei Untermieter des Vermieters. Nach früherem Recht war es so, dass der Gerichtsvollzieher nur die Personen aus einer Wohnung räumen durfte, die namentlich in dem Räumungstitel bezeichnet waren. Der Gerichtsvollzieher hatte keine Möglichkeit, den Bestand des Untermietverhältnisses zu prüfen. In diesem Fall musste der Vermieter gegen den vermeintlich neuen Mieter ein weiteres Räumungsurteil erwirken. Bis dahin wohnte der Mieter unentgeltlich in der Wohnung.

Dieser Praxis wurde durch § 940a II ZPO ein Riegel vorgeschoben. Danach kann eine Räumung gegen in der Wohnung befindliche Dritte durch einstweilige Verfügung angeordnet werden. Voraussetzung ist, dass gegen den Mieter selbst ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter von dem neuen Bewohner bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung des Räumungsverfahrens keine Kenntnis hatte.

Soweit dem Vermieter vor Einreichung der Räumungsklage oder während des Räumungsverfahrens vor Gericht bekannt ist oder bekannt wird, dass die Wohnung von mehreren Personen bewohnt wird, muss er darauf achten, dass möglichst alle Personen klagemäßig erfasst werden und sich das Räumungsurteil auf diese Person bezieht.

Dies gilt auch, wenn der Lebensgefährte Mitbesitz an der Wohnung hat (BGH NZM 2008, 400). Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern in der Wohnung leben, haben hingegen keinen Mitbesitz an einer Wohnung, auch dann nicht, wenn Sie danach volljährig werden.

Bei einer Wohngemeinschaft empfiehlt es sich, die Räumungsklage gegen die Wohngemeinschaft als solche, als auch gegen die einzelnen Mitglieder zu erheben. Sofern die Bewohner ständig wechseln, soll ein Räumungstitel mit unbestimmter Personenangabe möglich sein. Auch soweit der Mieter Teile seiner Wohnung untervermietet hat, benötigt der Vermieter gegen den Untermieter einen eigenen Räumungstitel. Daher ist es ungemein wichtig, die Räumungsklage formell stichhaltig vorzubereiten und ihre Aktualität während des Verfahrens fortlaufend zu überprüfen.

3 Antworten auf "Eigenbedarf: Zwangsräumung nach Eigenbedarfskündigung"

  • Anton
    17.01.2017 - 18:56 Antworten

    Grüß Gott,
    wir haben auf Räumung geklagt und jetzt dieses Urteil bekommen:
    Versäumnisurteil: Der Beklagte hat die Wohnung bis spätestens zum 31.01.2017 zu räumen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gegen die Entscheidung steht dem Beklagten der Einspruch zu. Der Einspruch kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen eingelegt werden. Jetzt meine Fragen: Sollte ich diese zwei Wochen noch abwarten oder jetzt gleich beim Gerichtsvollzieher einen Antrag stellen? Müssen wir jetzt beim Amtsgericht eine Zwangsvollstrecklungsklausel und eine Zustellungsbescheinigung einholen, wenn wir so schnell wie möglich eine Berliner Räumung durchführen lassen möchten ?

    Vielen Dank und viele Grüße, diese Webseite ist wirklich genial.

  • Herr Fläschner
    06.04.2017 - 07:45 Antworten

    Moin,
    zum § 566 BGB: Bitte um Einschätzung:
    Juristische Person (Körperschaft öffentliche Rechts) hat keine Individualeigenschaft, kann also keine Eigenbedarfskündigung aussprechen, weil das “berechtigte Interesse” fehlt. Der Mietvertrag sagt dazu gar nicht, Sie verkauft unbefristet vermieteten Wohnraum nach mehr als 25 Jahren Mietdauer und Regierungswechsel an Privatperson.
    Es gilt ja der Grundsatz “dadurch keine Änderung, Vertrag gilt fort”. Was passiert hinsichtlich der zuvor bestehenden faktischen Unkündbarkeit wegen Eigenbedarfs aufgrund der Rechtsform? Entfällt die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung für den neuen Erwerber?

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