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Welche Rechte haben Mieter mit einer Behinderung?

Das Leben mit einer Behinderung ist eine besondere Herausforderung. Im Mietrecht gibt es daher verschiedene Regelungen, die den besonderen Anforderungen eines Mieters mit Behinderungen Rechnung tragen: So dürfen Mietbewerber mit Behinderungen z.B. nicht benachteiligt werden, bestimmte Umbaumaßnahmen zum behindertengerechten Wohnen sind vom Vermieter zu genehmigen und im Kündigungsfall gibt es eine besondere Widerspruchsmöglichkeit.

Der nachfolgende Artikel erklärt, welche besonderen Rechte Mietern mit einer Behinderung zustehen und was für Voraussetzungen zu erfüllen sind. 

I. Haben Mieter mit Behinderungen vorrangig Anspruch auf Mietvertragsabschluss?

Nein. Ein solches Recht gibt es nicht. Es ist grundsätzlich allein die Entscheidung des Vermieters an wen er vermieten will und an wen nicht. Dazu kommt, dass Vermieter keine Verpflichtung haben ihre Absage für eine Mietwohnung zu begründen. D.h. Vermieter müssen Mietbewerbern mit Behinderung keine Erklärung darüber abgeben, warum Sie die Wohnung an jemand anderen vermieten.

Allerdings müssen Vermieter sich an das Benachteiligungsverbot des § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) halten und dürfen Mietbewerber nicht wegen Ihrer Behinderung diskriminieren.

Mehr dazu, was als Diskriminierung gilt lesen sie in dem Beitrag: Vorlage für Absage an Mietinteressenten.

Stellen Mietbewerber eine Diskriminierung wegen ihrer Behinderung fest, können sie den jeweiligen Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Wichtig ist, dass die Diskriminierung nachweisbar dargelegt wird.

II. Welche Rechte stehen einem Mieter mit Behinderung während des Mietverhältnisses zu?

Im Mietrecht gibt es für Mieter mit Behinderung  als besonderes Recht den  § 554 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der u.a. einen Anspruch auf Barrierereduzierung (bzw. behindertengerechten  Umbau) regelt.

Darin heißt es: „Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache  erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen (…) dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Der Mieter kann sich im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“

1. Umbau zur Barrierereduzierung als gesetzliche Ausnahme

Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87 ff.) stellt § 554 BGB einen Ausnahmefall dar, da im Mietrecht eigentlich der Grundsatz gilt, dass der Mieter keinen Anspruch darauf hat, vom Vermieter nach Abschluss des Mietvertrags eine Erweiterung seines Gebrauchsrechts durch Umbaumaßnahmen zu verlangen. Umbaumaßnahmen durch den Mieter müssen daher grds. nicht genehmigt werden (vgl. Sie dazu auch den Artikel: Umbauten und Einbauten durch Mieter – Was beachten?).

Bei Mietern mit Behinderungen wird durch das Gesetz ausnahmsweise ein Anspruch auf behindertengerechten Umbaumaßnahmen zur Barrierereduzierung geregelt. Damit der Anspruch erfolgreich durchgesetzt werden kann, sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Der Anspruch ist entstanden und
  • nach der Interessensabwägung liegt kein Ausschluss im Einzelfall wegen Unzumutbarkeit für den Vermieter vor.

2. Anspruchsvoraussetzungen: Anspruch auf behindertengerechten Umbau

Die Entstehung des Anspruchs auf Erlaubnis einer baulichen Veränderung selbst ist an geringe Anforderungen geknüpft. Voraussetzung ist nur, dass die begehrte bauliche Veränderung der Nutzung der Mietsache durch Menschen mit Behinderungen dient. Das heißt, grds. haben Mieter mit Behinderungen einen Anspruch auf Umbauten die Barrieren in der Wohnung oder im Wohnhaus reduzieren.  Die Kosten der behindertengerechte Umbaumaßnahme tragen die Mieter.

Wichtig ist, dass es sich um einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung handelt und nicht etwa um ein gesetzliches Umbaurecht eines Mieters mit Behinderung (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87). Das bedeutet, dass der Mieter, der einen behindertengerechten Umbau durchführen will, immer im Vorfeld die Erlaubnis des Vermieters einholen muss. Würde der Mieter ohne die Erlaubnis bauliche Veränderungen vornehmen, beginge er eine Pflichtverletzung des Mietvertrages (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87). Nur dann, wenn ein entsprechender Umbau für barrierefreies Wohnen bereits im Mietvertrag gestattet ist, kann der Mieter ohne nochmalige Erlaubniserteilung handeln.

Als bauliche Veränderung gilt dabei jede Modifikation der Substanz der Mietsache (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87). Es ist unerheblich, ob das von der baulichen Veränderung betroffene Bauteil bereits Teil der vermieteten Wohnung ist oder es sich in einem dem Mieter nur zum Mitgebrauch überlassenen Bereich befindet (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87). So ist § 554 Absatz 1 Satz 1 BGB  daher insbesondere anwendbar, wenn z.B. ein gehbehinderter Mieter einen Treppenlift in das ihm zum Mietgebrauch mitvermietete Treppenhaus einbauen möchte.

Der Anspruch erstreckt sich in Verbindung mit § 241 Absatz 2 BGB auch auf Nebenpflichten, wie z.B. Mitwirkungshandlungen des Vermieters, soweit die Ausführung der baulichen Veränderung davon abhängt (BT-Drucksache 19/18791, S. 87) So z.B., die Erteilung von Informationen, die der Mieter zur Planung der Baumaßnahme benötigt, die Abgabe von Gestattungserklärungen gegenüber Handwerkern etc. (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87).  Hat der Mieter ein berechtigtes Interesse an der schriftlichen Erteilung der Erlaubnis, kann sich ein Anspruch hierauf ebenfalls aus § 241 Absatz 2 BGB ergeben (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 87).

3. Kein Ausschluss des Anspruchs auf Umbau nach Interessenabwägung

Liegen alle Anspruchsvoraussetzungen vor, ist die Hürde der Interessenabwägung zu überwinden, denn der Anspruch auf Erlaubnis für den Umbau zur Barrierereduzierung gilt nicht uneingeschränkt.  Das Gesetz gibt dem Vermieter nach § 554 Absatz 1 Satz 2  BGB das Recht die Erlaubnis zu versagen, wenn die behindertengerechten Umbauten für den Vermieter im Einzelfall nicht zumutbar sind. Wann das der Fall ist, ist nach der Gesetzesbegründung durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 88).

Das bedeutet, wann Mieter mit Behinderungen die Erlaubnis für eine Umbaumaßnahme bekommen, hängt davon ab, ob ihr Interesse an der Ausführung der Baumaßnahme die nachteiligen Folgen der baulichen Veränderung für den Vermieter überwiegt.

Damit Mieter, die Behinderungen haben und eine Erlaubnis zum Umbau von ihrem Vermieter begehren,  einschätzen können, wie die Interessenabwägung ausfallen kann, wird kurz dargestellt, was bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist:

a) Vermieterinteresse: Das ist zu beachten

Das Vermieterinteresse im Rahmen des § 554 Abs. 1 S. 2 BGB  wird als sog. Konservierungsinteresse bezeichnet. D.h. kurz gesagt, dass der Vermieter ein Interesse hat,  dass kein Eingriff in die Substanz der Mietsache durch eine bauliche Veränderung wie einen Umbau erfolgt (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 88).

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Umbau zur Barrierereduzierung einen gefahrträchtiger Zustand oder eine baurechtswidrige Situation schafft (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 88). Hier ist der Mieter, der um die Erlaubnis bittet, gefordert den Vermieter  hinreichend über die Details der gewünschten Umbaumaßnahme  zu informieren. Daher kann das Vermieterinteresse im Einzelfall bei der Interessenabwägung überwiegen, wenn der Mieter es unterlässt die notwendigen Informationen zum Umbau zur Verfügung zu stellen. Besondere Bedeutung haben hier z.B. Umfang und Dauer von Baumaßnahmen, mögliche Belästigungen durch Baulärm und Schmutz, Genehmigungsfähigkeit baulicher Maßnahmen, Haftungsfragen etc.

Ebenso ist die Erlaubnis zu versagen, wenn  die bauliche Veränderung negativen Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen des Vermieters zu Dritten hat, so z.B. zu anderen Hausbewohnern, Mietern oder seinem Grundstücksnachbar.  Das ist nach der Gesetzesbegründung z.B. dann der Fall, wenn der Vermieter die berechtigte Befürchtung hat, dass gegen ihn wegen der baulichen Veränderung Rechte geltend gemacht werden könnten, wie etwa Mietminderungen o.ä. (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 88).

Daneben spielt auch das Rückbaurisiko eine Rolle bei der Gewichtung des Vermieterinteresses. Der Mieter ist zwar bei Vertragsende regelmäßig zum Rückbau des behindertengerechten Umbaus verpflichtet, aber nicht immer zahlungsfähig. Es besteht daher für den Vermieter immer ein gewisses Risiko auf diesen Rückbaukosten sitzen zu bleiben. Mieter können diesem Risiko aber dadurch entgegentreten, dass Sie von vornherein eine Spezielle Sicherheit für die Rückbaukosten hinterlegen.  § 554 Absatz 1 Satz 3 BGB sieht insoweit vor, dass die Parteien im Zusammenhang mit einer baulichen Veränderung vereinbaren können, dass der Mieter eine besondere Sicherheit leistet.

b) Mieterinteresse: Das ist zu beachten

Das Mieterinteresse wird als sog. Veränderungsinteresse bezeichnet. Nach der Gesetzesbegründung ist das Veränderungsinteresse des Mieters in Fällen des § 554 BGB aus gesamtgesellschaftlichen Gründen stets beachtenswert  (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 89). Das bedeutet, Mieter mit einer Behinderung müssen kein spezifisches berechtigtes Interesse darlegen — dieses wird grds. angenommen. Vermieter dürfen die Erlaubnis zum Umbau daher nicht mit dem Argument ablehnen, der Mieter habe trotz seiner Behinderung kein anerkennenswertes Interesse an dem Umbau.

Gerade bei der Barrierereduzierung spielt beim Veränderungsinteresses auch das allgemeine Interesse eine Rolle, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 89).

Dazu kommt die individuellen Situation des Mieters, wie z.B. welche Art und welcher Grad der Behinderung  vorliegt und  wie der Ausstattungszustand der Mietwohnung ist. All dies spielt bei der Gewichtung des Veränderungsinteresses eine Rolle.

c) Sonderfall: Eigentumswohnung: WEG Interesse

Nach § 20 Wohnungseigentumsgesetz sind bauliche Veränderungen durch den Mieter oder den vermietenden Wohnungseigentümer, nach dem Wohnungseigentumsgesetz erst nach einer entsprechenden Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zulässig(vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 90). Das bedeutet: Geht es um den Umbau einer vermieteten Eigentumswohnung sind im Rahmen des Vermieterinteresses auch die Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Beschlussfassung zu berücksichtigten (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 90).

Im Einzelfall heißt das, dass ein Mieter, der die Erlaubnis zum Umbau für die Barrierereduzierung will, zunächst damit rechnen muss, dass der Vermieter ihn auf das Beschlusserfordernis nach dem Wohnungseigentumsgesetz verweist. Der Vermieter darf die Erlaubnis mit dieser Begründung erstmal zurückhalten, muss sich aber um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung bemühen.

Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) darf sich der Vermieter hier nicht passiv verhalten, sondern soll  sich um eine für den Mieter günstige Beschlussfassung der Wohnungseigentümer bemühen. Unterlässt der Vermieter entsprechende Bemühung kann das dazu führen, dass die Interessenabwägung zugunsten des Mieters ausgeht und der Mieter in diesem Fall im Klagewege den Anspruch auf Erlaubniserteilung durchsetzen kann.  Das berechtigt den Mieter dann zwar nicht in das gemeinschaftliche Eigentum einzugreifen, er kann aber den vermietenden Wohnungseigentümer auf Erfüllung in Anspruch nehmen: Der Vermieter ist dann verpflichtet, auf eine die bauliche Veränderung gestattende Beschlussfassung hinzuwirken  (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005, AZ.: VIII ZR 342/03).

4. Abwägungsergebnis ist gerichtlich überprüfbar

Das Abwägungsergebnis ist einzelfallabhängig. Für den Ausgang der Entscheidung ist es besonders wichtig, wie genau Mieter und Vermieter ihre Interessen darlegen. Überwiegen die Interessen des Mieters bei der Abwägung, so hat er gegen seinen Vermieter einen einklagbaren Anspruch auf Zustimmung zu der behindertengerechten Umbaumaßnahme.

In der Praxis spielt die Abwägung meist erst dann eine Rolle, wenn Vermieter ihre Erlaubnis versagen und Mieter den Umbau zur Barrierereduzierung gerichtlich geltend machen. Dann wird die Abwägung im Rahmen der Klage auf Zustimmung gerichtlich überprüft.

III. Welche besonderen Schutzrechte haben Mieter mit Behinderung bei Kündigung?

Für die Kündigung des Mietverhältnisses gibt es grds. keine besondere Regelungen für Mieter mit Behinderungen. Es gelten die gleichen Bedingungen und Kündigungsfristen wie bei allen anderen Wohnraummietverhältnissen. Es gibt also keine Sonderkündigungsrechte o.ä. für Menschen mit Behinderungen.

Im Rahmen der Vermieterkündigung kann eine Behinderung allerdings ein Widerspruchsrecht begründen. D.h. der Mieter kann einer ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und sich auf einen sog. sozialen Härtefall nach § 574 Abs. 1 BGB berufen, mit der Folge, dass er vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann.

Was ein sozialer Härtefall ist, steht in § 574 BGB. Danach  kann ein Mieter der ordentlichen Vermieterkündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Lesen Sie dazu auch:

Für einen Mieter mit Behinderungen liegt z.B. dann ein Härtefall vor, wenn es dem Mieter aufgrund der Behinderung unmöglich ist innerhalb der Kündigungsfrist (oder auch darüber hinaus) eine neue geeignete Wohnung zu finden. Wie ein solcher Härtefall bei der Eigenbedarfskündigung zu beurteilen ist, lesen Mieter in dem Spezialbeitrag: Eigenbedarf bei schwerbehinderten Mietern – Rechte des Vermieters vs. Schutz des Mieters

Wichtig ist, dass Mieter ihren Härtefall richtig geltend machen: Nach § 574b BGB müssen Mieter den Widerspruch schriftlich und spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses geltend machen.  Der soziale Härtefall ist dabei zu begründen. Mieter sollten insoweit besonders detailliert begründen, warum es nicht möglich ist eine Ersatzwohnung zu finden etc.

IV. Fazit und Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine Behinderung des Mieters im Mietrecht in mindestens drei Fallgestaltungen besondere Rechte begründen kann:

  1. Beim Mietvertragsabschluss darf eine Mietbewerber mit einer Behinderung nicht diskriminiert werden.
  2. Während des Mietvertrages haben Mieter einen Anspruch darauf, dass Vermieter Ihnen die Erlaubnis für einen behindertengerechten Umbau in der Mietwohnung oder in mitvermieteten Räumen erteilen, wenn dies für den Vermieter nach einer Interessenabwägung zumutbar scheint.
  3. Im Falle einer ordentlichen Vermieterkündigung, können sich Mieter wegen ihrer Behinderung auf einen sozialen Härtefall berufen, der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.

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